Die Maetresse bis Martini
gefangen war und zu ihm aufblicken musste. Sie war fast so groß wie er, aber so hatte er sie besser im Griff.
„Es war kein Angebot, Teuerste.“, seine Samtstimme sandte ungewohnte Schauer ihren Rücken hinab. Er wollte sie damit unbedingt verführen.
„Ihr befehlt mir, Euch zu küssen?“
Obwohl ihr Busen vor Ärger bebte und sie ihn zornig anfunkelte, war Katharina eine einzige Versuchung. Der volle Mund war schon geöffnet und verlangte einen Kuss. Warum brachte sie ihn in Wallung, während andere Frauen ihn kalt ließen? Was hatte sie an sich, dass er leidend, ja bettelnd vor ihr stand und nur einen Kuss wollte?
„Ist ein Kuss zu viel?“
„Nein.“ Schon war er wieder näher gerückt und schien sie an die Wand zu pressen. Karl nutzte seine Größe schamlos aus, so dass sie sich von ihm überwältigt fühlte. Was tat er mit ihr? Wollte sie von ihm geküsst werden?
„Dann schenkt mir einen Kuss.“
Sollte sie wirklich? Es ist doch nur ein Kuss!, sagte sich Katharina, reckte sich hoch und berührte kurz seine Lippen. Das musste reichen.
Karl war enttäuscht und reizte sie nun bewusst: „Wo ist Ihre Courage? Nennt Sie das einen Kuss? Wenn Sie so eine Mätresse sein will, dann ist der Pakt nichtig.“
Er ließ von ihr ab und wollte gehen.
„Nein!“, schrie sie und packte ihn am Rock. „Bitte, bleibt!“ Sie warf sich in seine Arme und schlang ihre Hände um seinen Nacken. Sofort suchte ihr Mund seine Lippen und fand sie. Er gab ihren Kuss zurück und presste sie für einen Moment fest an sich. Wie sehr er sie begehrte! Dann beendete er den Kuss, schob sie von sich, drückte ihr den Geldbeutel in die Hand und verschwand aus ihrem Laden. Draußen grinste er triumphierend. Sie hatte sich erneut seinen Wünschen unterworfen. Sein zweiter Sieg!
Erschüttert über ihre Begegnung, sperrte Katharina die Ladentür ab und lehnte sich an die Wand. Wie ihr Herz klopfte und ihre Lippen brannten! So leicht hatte Karl sie seinem Willen unterworfen! Beschämt kamen ihr die Tränen, sie war fassungslos, wie schnell sie aufgegeben hatte. War sie so anfällig für Männer geworden?
Zu Katharinas Erleichterung sagten die Schwestern der Barmherzigen Muttergottes, die ihr Stift im Wald von Hochheim hatten, Tags darauf zu, Kunigunde aufzunehmen. Das Zimmer war so groß, dass Marie sich entschloss mitzugehen. „Ich bin zu alt, um euch auf das Schloss zu begleiten.“, sagte sie zu Katharina. „Eure Mutter braucht mich in der neuen Umgebung.“
„Aber du bist keine Last, Marie.“, versicherte Katharina.
„Das vielleicht nicht. Aber mein Buckel stört viele Menschen. Sie fangen an, Böses über mich zu erzählen.“
„Das ist kein Buckel, sondern der Flügel eines Engels, der fast schon durchgebrochen ist.“, verbesserte Katharina sie.
„Wie ihr meint: ein Flügel.“, stimmte Marie zu und strich Katharina liebevoll über die Wange. Wie oft hatte die Witwe geduldig ihr Schicksal getragen und sie gegen allen Klatsch verteidigt. Wenn Marie für Katharina ihr Leben hätte geben müssen, hätte sie es ohne zu zögern getan. Aber diesen Weg ging Katharina besser ohne die Last. Außerdem gab es im Stift sicherlich eine Ecke, wo Marie ihre Weinstöcke ziehen konnte. Schließlich konnte sie das besser als die meisten Männer.
Schweren Herzens verabschiedete sich Katharina von ihrer Mutter, die fast freudestrahlend umzog. Kunigunde ahnte, dass jemand dahinter steckte, aber jetzt war Katharina von ihrer Pflege befreit. Das war wichtiger als Fragen zu stellen, auf die man schlimme Antworten bekam. Lieber freute sich Kunigunde auf gute Tage, wenn Katharina sie besuchen kam.
Als sich der Wagen mit den beiden Frauen und dem größten Teil des Hausrats davon rumpelte, wurde Katharinas Herz schwer. Dass sich ihr Leben so rasch änderte! Ihr Lehrmädchen hatte inzwischen den Laden aufgeräumt und feucht gewischt. Nun entließ Katharina sie mit einem guten Zeugnis, damit Mina bei einem anderen Schneider unterkommen konnte. Als der Laden geschlossen war, senkte sich eine ungewöhnliche Stille über das Haus. Niemand klapperte in der Küche, niemand bat um Hilfe. Kein Feuer prasselte im Kamin. Katharina wanderte durch die Räume und verlor sich in Erinnerungen. Die Küche war sauber und aufgeräumt, die Speisekammer bis auf wenige Gläser Eingemachtes leer. Im Obergeschoss hatte Marie die Kammer des Hausherrn noch einmal gründlich geputzt, so dass der Raum zu glänzen schien. Die Kommode und das Bett hatte sie gleich
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