Die Maetresse des Kaisers
recht. Wenn sie den Medicus um Hilfe baten, wie sollten sie eine Erklärung für Enzios Leiche finden?
Sie spürte rasende Kopfschmerzen und legte die Hände an die Schläfen. Denk nach, sagte sie sich, denk genau nach und mach jetzt keinen Fehler. Konnte sie ihren Bruder rufen? Würde er ihr helfen? Immerhin war Enzio in ihre Gemächer eingedrungen und hatte sie im Schlaf überfallen und sich dadurch eines Verbrechens schuldig gemacht. Aber nun lag Enzio tot in ihrem Bett. Erstochen von seiner zukünftigen Frau. Sie drückte ihre schmerzenden Hände fest auf ihre Stirn und schüttelte den Kopf. Nein, Manfred würde ihr nicht helfen. Im Gegenteil. Sie war die ungehorsame Schwester, die schon den ganzen Tag gegen die geplante Heirat aufbegehrt hatte. Sie hatte einen Ritter getötet, einen reichen, mächtigen Grafen. Wenn die anderen Enzios Leiche fanden, würde es einen Prozess geben.
Bianca wusste, dass die Männer, die über sie richten würden, kein Verständnis für Frauen hatten, die ihre Verteidigung selbst in die Hand nahmen. Möglicherweise würde man sie beide mit dem Tod durch das Feuer bestrafen, ganz sicher aber würde sie von ihrem Bruder verstoßen werden – nachdem man sie ausgepeitscht hätte.
Sie zwang sich, ihre Kopfschmerzen zu vergessen, und rückte näher an Giovanna.
»Du bist die Weise von uns beiden. Und du hast wie immer recht. Kein Medicus, keine Hilfe. Wir müssen selbst entscheiden, was zu tun ist.«
Bianca nahm die Kerze und sah sich das misshandelte Gesicht ihrer Amme sorgfältig an. Enzio musste Giovanna brutal geschlagen haben. Vermutlich war sein Siegelring direkt auf ihren Augenwinkel geprallt, dort, wo die Haut zart und der Schädelknochen dünn war. Giovannas linkes Auge war bereits völlig zugeschwollen, ein dicker dunkelroter Striemen zog sich über ihre Schläfe, und unter dem Auge klebte geronnenes Blut. Sie strich ihrer Amme zart über die Wange.
»Ich bin froh, dass er tot ist. Er war ein Vieh.«
Giovanna schlug hastig das Kreuz und sah ihre Ziehtochter entsetzt an. »Sag so etwas nie wieder. Wir haben eine Sünde begangen, für die wir ein Leben lang büßen werden.«
»Ach Giovanna, wäre es besser gewesen, wenn er uns beide umgebracht hätte? Wenn ich sehe, was er dir angetan hat, sage ich: Zur Hölle mit ihm.«
Giovanna warf ihr einen erschrockenen Blick zu. Was sollte jetzt aus ihnen werden? Sie war alt und müde. Und wenn es ihr nicht gelingen würde, die Wunde an ihrem Auge mit Hilfe von Kräutern zu heilen, würde sie mit großer Wahrscheinlichkeit den nächsten Herbst nicht erleben. Sie seufzte und verdrängte Schmerz und Bitterkeit. Sie hatten anderes zu tun, als über ihre Wunden zu jammern. Giovanna entschied, ihr linkes Auge notdürftig mit einer Binde zu schützen und sich später um die Verletzung zu kümmern. Was sie jetzt am allernötigsten brauchten, war ein Plan.
K arim an-Nasir griff nach einer Ecke des weißen Tuches und zog es dem Mann über den Kopf. Neben ihm stand ein Pater der Zisterzienser, und Karim sah ihm ernst ins Gesicht.
»Der Mann ist tot«, erklärte der Sarazene. »Für ihn können wir nichts mehr tun. Seht zu, dass Ihr ihn schnell begrabt. Kein Körper darf in der sengenden Sonne liegenbleiben.«
Karim erkannte die Skepsis im Blick des Zisterziensers und ärgerte sich über so viel Borniertheit. Vermutlich fragte sich auch dieser Pater zum tausendsten Mal, was ein Ungläubiger wie er ausgerechnet in einem Kreuzfahrerheer trieb. Und mit derselben Wahrscheinlichkeit würde er sich wundern, warum der Kaiser des größten christlichen Reiches einen Sarazenen zu seinem Leibarzt gewählt hatte.
Karim wusste, dass einige der Ritter die Anwesenheit eines Dieners Allahs für ein schlechtes Omen hielten, und tatsächlich konnte inzwischen jeder sehen, dass der Kreuzzug Friedrichs II . unter keinen guten Vorzeichen stand. Tag für Tag glühte die Sonne von einem wolkenlosen Himmel, Männer wie der Zisterzienserpater, der aus einem Kloster jenseits der Alpen stammte, litten Höllenqualen in der Hitze, nirgendwo eine wohltuende Brise, die den Geruch von Krankheit und Tod vertrieb. Dazu das Fieber, an dem bereits einige Männer gestorben waren.
Vielen Rittern graute vor der Überfahrt ins Heilige Land, denn dort sollte es noch heißer sein, aber alles war besser, als in dieser stinkenden Stadt zu verfaulen.
Karim an-Nasir verstand sich zwar nicht auf die Kunst des Gedankenlesens, aber die Ängste und Bedenken des Zisterziensers standen
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