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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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so deutlich auf seiner Stirn, dass selbst der größte Narr sie lesen konnte.
    Der Sarazene fragte sich, warum die Menschen des Abendlandes nicht längst ausgestorben waren. Ihr medizinisches Wissen war auf einem Stand, der in der orientalischen Welt seit Jahrhunderten als überholt galt. Die Ärzte des Morgenlandes stützten sich auf das alte, überlieferte Wissen berühmter Heilkundiger aus Syrien, Persien oder Judäa.
    Schon vor vierhundert Jahren hatte der persische Arzt Rhazes ein bahnbrechendes Buch über Pocken und Masern geschrieben. Karim hatte alle Abhandlungen, die sich mit Gesundheitspflege, Hygiene, Operationen und geheimnisvollen Fieberkrankheiten befassten, studiert. Er kannte die Bücher des berühmten Arztes Ibn Sina, den die Christen Avicenna nannten, ebenso wie die Werke von Abu`l-Qasim Halaf Ibn al-Abbas, dem Leibarzt zweier Kalifen in Córdoba.
    Die Christen dagegen, dachte er verächtlich, vertrauen darauf, dass ihre Priester sie gesund beten. Ihre Medici bekamen von der Kirche strenge Auflagen, und die Wissenschaft geriet immer mehr ins Visier der Mönchsorden. Mit Sorge hatte Karim von den Inquisitoren der Dominikaner gehört, die durch das Land zogen und Menschen zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilten. Darunter auch solche, die sich mit den Grenzen des Wissens nicht abfinden wollten.
    Karim hoffte von ganzem Herzen, dass er niemals und unter keinen Umständen verletzt in die Hände eines christlichen Medicus fiel. Lieber wollte er im Kampf einen schnellen Tod sterben als unter Aufsicht eines dieser Barbaren qualvoll dahinsiechen.
    Dass er überhaupt mit ins Heilige Land zog, lag an seiner tiefen Freundschaft zu Friedrich. Der heute so mächtige Kaiser hatte sich als Kind in den Gassen von Palermo nicht eben wie der Sohn eines Königs benommen. Mehr oder weniger lebte er wie ein Streuner und fand Freunde in christlichen und muslimischen Familien. Als Karim und Friedrich sich kennenlernten, waren beide zehn Jahre alt. Friedrich sprach bereits perfekt Arabisch. Über zwanzig Jahre hielt jetzt ihre Freundschaft, und der Sarazene bewunderte Friedrich mehr denn je.
    Es gab wenige Menschen, denen der Kaiser wirklich vertraute – Karim war einer davon.
    Der Sarazene straffte seine Schultern und wandte sich an den Pater: »Holt Euch so viele Helfer, wie Ihr braucht, und gebt allen Männern, die Fieber haben, jeden Tag neue Wäsche. Die Pritschen und die Strohsäcke brauchen jeden Morgen neue Laken. Stirbt einer der Männer, wird seine Wäsche verbrannt. Habt Ihr verstanden?«
    »Aber wie soll das gehen? Woher soll ich so viele Tücher beschaffen? Das ist Verschwendung. Kein Mensch braucht jeden Tag ein neues Betttuch.«
    Karim führte den Zisterzienser durch die Reihen der Kranken. »Seht her. Dieses Tuch hier ist blutig und verdreckt. Es stinkt nach Fäulnis und Exkrementen. Es muss sofort ausgetauscht werden. Achtet mit Euren Helfern auf makellose Sauberkeit. Wenn es sein muss, holt Ihr die Tücher aus den Häusern der wohlhabenden Bürger von Brindisi.« Er wandte sich ab, um das Zelt zu verlassen, drehte sich aber ein letztes Mal zum Pater um. »Ach, Pater Ruggiero, ehe ich es vergesse, dies ist ein Befehl des Kaisers.«
    Karim lächelte leicht, als sich das Gesicht des Zisterziensers missmutig verzog.

Z ur Hölle mit ihm«, wiederholte Bianca und riss ein Stück von ihrem zerfetzten Nachthemd ab, um Giovannas blutiges Gesicht zu säubern.
    »Wir müssen fliehen, auf der Burg sind wir nicht mehr sicher. Wenn man entdeckt, was geschehen ist, wird man uns gefangen nehmen. Und wir müssen Enzio verschwinden lassen.«
    Die Amme wimmerte vor Schmerz, als Bianca notdürftig die Wunde an ihrem Auge verband. Aber Giovanna hatte schon größere und schlimmere Pein erduldet als diesen Schlag an die Schläfe. Sie wusste, dass sie die Schmerzen aushalten konnte: Und für Bianca hätte sie alles ertragen.
    Giovanna stimmte ihrer Ziehtochter zu. Es gab keine andere Möglichkeit als die Flucht. Doch wie und vor allem wo sollten sie den Leichnam des Grafen von Tuszien verstecken?
    Bianca betete, dass der Regen nicht aufhören möge, so dass sie den dichten Vorhang aus feinen Wassertropfen zu ihrem Vorteil nutzen könnten. Und sie hoffte, dass alle anderen Männer in der Burg – vor allem aber ihr Bruder – vom Wein berauscht tief und fest schliefen.
    Rasch überschlug sie verschiedene Möglichkeiten. Die Gemächer der Frauen befanden sich in einem Anbau, etwas abseits der Befestigungsanlagen der Burg.

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