Die Maetresse des Kaisers
fortgeritten.
Selbstverständlich lebten außer ihr noch andere Menschen hier. Ihre Dienerinnen waren bei ihr geblieben. Es gab eine Köchin und zahlreiche Küchenhilfen, Stallknechte, einen Falkner, mehrere Gärtner und natürlich einen Verwalter mitsamt seiner Familie. Trotzdem war sie einsam.
Die Tage und Nächte ohne Friedrich quälten sie, viel zu sehr hatte sie sich an seine Anwesenheit gewöhnt. Ihr fehlten sein Lächeln, seine Stimme, seine Hände, sein Körper. Nachts lag sie unglücklich in ihrem Bett und konnte nicht schlafen. Und wenn ihr endlich nach Stunden die Augen zufielen, wurde sie von Träumen geplagt. Männer verfolgten sie, und sie lief und lief bis ans Ende der Welt, doch auch dort wartete bereits einer ihrer Peiniger auf sie.
Der Schrecken von jenem Sonntag in Jerusalem, als der Kaiser sich die Krone aufs Haupt gesetzt und sie sich so übervoll mit Liebe und Glück gefühlt hatte, beherrschte sie immer noch. Sie hatte in der Kirche gespürt, dass jemand sie anstarrte, doch nichts hatte sie darauf vorbereitet, plötzlich diesem unheimlichen Mann gegenüberzustehen, dem sie schon einmal in die Hände gefallen war.
Glücklicherweise war sie ihm bis zu ihrer Abreise aus Jerusalem nicht wieder begegnet. Dennoch hatte sie sich erst an Bord der kaiserlichen Galeere von Akkon zurück nach Brindisi sicher und geborgen gefühlt. Wie anders diese Überfahrt war.
Bianca war nicht mehr auf der Flucht, sondern wurde geliebt und umsorgt. Friedrich las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Und doch konnte sie ihm nicht sagen, welche namenlosen Schrecken sie in ihren Träumen verfolgten.
Seit sie zurück in Friedrichs sizilianischem Königreich waren, ließ die Angst sie nicht mehr los. Und gerade jetzt, in der Einsamkeit von Gioia del Colle, befürchtete sie fast täglich die Ankunft ihres Verfolgers. Er würde sie hier finden, wie er sie in Jerusalem gefunden hatte, wobei sie sich allerdings nicht im Klaren war, ob es sich bei dem Zusammentreffen in der Kirche nicht einfach um einen reinen Zufall gehandelt hatte. Oder sollte der Spürsinn dieses Mannes so unbesiegbar sein, dass er während ihrer gesamten Flucht gewusst hatte, wo sie sich befand?
Denk nach, sagte sie sich und versuchte ihr sonst so sicheres Urteilsvermögen nicht von Angst und Panik beeinträchtigen zu lassen. Es musste sich um eine böse Laune des Schicksals gehandelt haben, anders war sein Erscheinen in der Kirche des Heiligen Grabes nicht zu erklären.
Dennoch fühlte sie sich nicht sicher auf Gioia del Colle. Friedrich konnte sie nicht schützen, er hatte seit Brindisi kaum Zeit für sie. An den Grenzen des Königreichs Sizilien kämpften kaiserliche Truppen gegen die des Papstes, und die militärische Lage der Kaisertreuen war durchaus prekär.
Doch Friedrichs Gegner hatten weder mit seiner schnellen Rückkehr aus dem Heiligen Land gerechnet noch mit der Verstärkung, die er mitbrachte. Viele Kreuzfahrer, die auf dem Weg in ihre Heimatländer waren, erklärten sich bereit, den Kaiser militärisch zu unterstützen, und schon nach wenigen Tagen erzielte Friedrich die ersten Erfolge. Einige Städte liefen in vorauseilendem Gehorsam zum Kaiser über, die päpstliche Liga zeigte Schwächen.
Bianca war über den Fortgang der Friedensbemühungen des Kaisers gut unterrichtet. Er ließ ihr kleine Noten zukommen, die sie einerseits beruhigten, andererseits jedoch davon überzeugten, dass der Kaiser noch eine Weile fortbleiben würde.
Wie sollte sie also einem Angriff ihres Verfolgers begegnen? Bianca zerbrach sich den Kopf, kam einer Lösung des Problems aber nicht näher. Als Vorsichtsmaßnahme und um wirklich gegen jede noch so unwahrscheinliche Möglichkeit gerüstet zu sein, hatte sie sich einen kleinen, scharfen Dolch kommen lassen, den sie in Friedrichs Abwesenheit versteckt bei sich trug.
Die Eintönigkeit ihrer Tage vertrieb sie mit Erkundungsgängen durch das Kastell. Schon beim Einzug hatte sie erfreut festgestellt, dass alle Wohnräume über Kamine verfügten und deshalb gut zu heizen waren. Vergeblich suchte man auf Gioia del Colle nach einem riesigen Rittersaal. Der größte Raum war der sogenannte Thronsaal mit Steinbänken an den Wänden und einem steinernen Thron, dessen Rückseite mit Blumenmustern verziert war. Die Fenster und Türen hatten Rundbögen und wirkten dadurch leicht und verspielt, wie überhaupt die ganze Atmosphäre des Kastells nichts Düsteres oder Schwermütiges verströmte. Die Decken der Wohnräume
Weitere Kostenlose Bücher