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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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sprach, war nicht zu übersehen.
    »Er wird keine Ruhe geben, Karim. Doch wenn Ihr von Enzio gehört habt, könnt Ihr mir vielleicht auch sagen, wie es meinem Bruder Manfred geht?«
    »Leider nein. Niemand weiß, wo er ist.«
    »Ist er tot?«
    »Es heißt, er habe seine Heimat verlassen.«
    »Aber warum?«
    »Aus Angst vor Enzio?«
    »Ist das eine Frage, oder wisst Ihr mehr?«
    »Es ist eine Vermutung. Ich kenne weder diesen Enzio Pucci noch Euren Bruder. Ein Urteil steht mir deshalb nicht zu.«
    »Karim, bitte gebt mir einen Rat: Was soll ich tun?«
    »Die ganze triste Angelegenheit vergessen und Euch auf Euer Kind freuen.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Ihr erwartet ein Kind, Ihr liebt den Kaiser, und dieser liebt Euch. Ein Enzio Pucci sollte in Euren Gedanken keinen Platz finden. Und ein Heinrich von Passau ebenfalls nicht.«
    Bianca sah ein, dass es besser war, ihrer Furcht keinen weiteren Raum zu geben. Karim hatte ja recht, der Kaiser schützte sie, und darauf musste sie bauen. Und außerdem wollte sie um jeden Preis vermeiden, dass ihr Kind eine verzagte und verängstigte Mutter bekam.
    Karim lächelte sie an. »Ich habe Euch nicht sehr geholfen. Das tut mir leid.«
    »Doch, Karim, Ihr habt mir geholfen. Ich danke Euch. Ihr habt mir gezeigt, den Blick auf das Wesentliche zu richten.«
    »Gut. Ich reite morgen in aller Frühe zurück nach Barletta.«
    »Friedrich ist in Barletta?«, fragte sie.
    »Ja, aber das ist ein Staatsgeheimnis«, antwortete Karim lachend. »Soll ich etwas für ihn mitnehmen? Eine gute Nachricht vielleicht?«
    »Nein«, entschied Bianca. »Ich will ihm in die Augen sehen, wenn er es erfährt.«
    Karim brauchte Ruhe und zog sich mit einer Verbeugung zurück. Bianca sah ihm in Gedanken nach, als er mit seinen typischen schnellen Schritten durch den Obstgarten zum Kastell ging. Sie wusste, dass ihre Feinde nicht aufgeben würden.
    Heinrich von Passau war also Enzios Handlanger für unangenehme Aufgaben. Den Deutschen fürchtete sie weniger. Sie würde sein Gesicht immer und überall wiedererkennen, und zur Not konnte sie sich auf ihren kleinen Dolch verlassen. Aber es würden andere kommen. Und deren Gesichter kannte sie nicht.

H einrich von Passau erschrak, als er sein Gegenüber endlich erkannte. Fast zwei Jahre hatte er Enzio Pucci nicht gesehen, doch aus den spärlichen Nachrichten, die ihm zur Verfügung standen, hatte er offenbar zu viel Hoffnung herausgelesen.
    Dies war nicht mehr der Mann, den er einmal gekannt hatte. Die Verletzung, die ihm Gräfin Lancia, in Heinrichs und Enzios Augen nichts als eine Hure, zugefügt hatte, und die daraus folgende Erkrankung hatten den einst so stolzen Grafen zerstört. Enzio Pucci war ein menschliches Wrack, ein Krüppel, dem das Glück zu sterben versagt worden war.
    Heinrich von Passau starrte seinen alten Freund an und fand keine Worte, sein Entsetzen zu verbergen. Er blieb abrupt stehen wie ein scheuendes Pferd, und nicht einmal ein Gruß kam über seine Lippen.
    »Willst du nicht näher kommen?«, hörte er Enzios Stimme, doch nicht einmal das stärkste Streitross aus dem Stall des Grafen Pucci hätte ihn auch nur einen einzigen Schritt vorwärts gebracht.
    Er hatte Krankheit und Verwesung schon immer verabscheut und um Menschen, die nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte waren, einen großen Bogen gemacht. Die Fieberkranken in Brindisi hatten seinen Ekel erweckt, und Ritter, die im Kampf verwundet worden waren, sah er lieber tot als blutend und schreiend am Boden.
    Heinrich von Passau war ein Mann, der sich von Schönheit betören ließ, aber niemand, der die Endlichkeit des menschlichen Fleisches ertragen konnte. Und Enzios Körper zeigte ihm genau das, was er am meisten fürchtete – die Hilflosigkeit eines Verletzten und die Grausamkeit des Schicksals mit einem im Kampf Versehrten.
    »Was ist, mein Freund, kennst du mich nicht mehr?«
    Enzio lockte ihn schmeichelnd zu sich, doch Heinrich kämpfte mit seinen Gefühlen, die ihm nahelegten, das Schloss der Puccis so schnell wie möglich zu verlassen.
    Nach einem Schweigen, das ihm endlos erschien, ging er zögerlich auf Enzio zu und betrachtete seinen alten Freund aus der Nähe. Graf Puccis Muskeln waren erschlafft, sein Gesicht erschreckend aufgedunsen. Er lehnte mehr, als dass er saß, auf einem hohen Holzstuhl und war offensichtlich unfähig, aus eigener Kraft vorwärtszugehen. Er roch nach Krankheit, und dieser Geruch, gepaart mit seinem typischen Gestank nach feuchtem Tierfell, ergriff auf

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