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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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begleiten.«
    Giovanna wandte sich ab und ließ ihren Neffen voller Angst und ratlos zurück. Etwas Schreckliches musste geschehen sein. Seine Tante – das hatte er trotz der Augenbinde erkannt – war schwer verletzt. Und was war Bianca zugestoßen?
    Wie die gesamte Dienerschaft wusste auch Lorenzo, dass der Graf von Tuszien, der seit gestern mit seinem Gefolge zu Gast war, eine Frau suchte. Ausgerechnet dieser brutale Schläger sollte die schöne Bianca Lancia bekommen. Lorenzo kannte die Geschichten der Mägde, die das Pech hatten, Enzio Puccis Lust zu wecken. Keine Frau, dachte Lorenzo, hat es verdient, diesen Mann erdulden zu müssen.
    Doch für Grübeleien war jetzt nicht die richtige Zeit. Giovanna hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass jeder Augenblick zählte. Lorenzo lief hinüber zu den Ställen und lugte vorsichtig durch die Tür. Er hatte Glück. Bis auf Pietro, einem geistig etwas zurückgebliebenen Pferdepfleger, war der Stall leer. So schnell wie möglich suchte er Sattel und Zaumzeug von Biancas hochbeinigem schwarzem Hengst zusammen und führte den Rappen sowie zwei der ruhigeren Stuten zum Sattelplatz.
    Pietro, der einen herrlichen Schimmel striegelte, warf ihm einen Blick zu. »He, Lorenzo, pflegst du statt der Falken jetzt die Pferde? Oder willst du ausreiten?«, fragte er kichernd.
    »Weder noch, Pietro«, beschwichtigte Lorenzo. »Die Gräfin wünscht, dass sich ihr Pferd ein wenig bewegt. Ich weiß nicht, wer von den Rittern den Rappen reiten wird.«
    »Da bist du zu früh dran. Ich habe das Schnarchen bis in den Hof gehört. Die Männer schlafen noch.«
    Lorenzo lachte, winkte Pietro kurz zu und führte die Pferde aus dem Stall. Langsam machte er sich auf den Weg zur nördlichen Pforte, als ihm einfiel, dass er die Säcke vergessen hatte. »Hölle und Pocken«, fluchte er, doch noch einmal in den Stall zurückzugehen war zu gefährlich. Selbst Pietro würde Verdacht schöpfen. Er beschloss, sich über sein Versäumnis keine weiteren Gedanken zu machen. Er würde später nach einer Lösung suchen. Als er die Pforte erreicht hatte, warteten Bianca und Giovanna bereits im Schutz einer vorspringenden Mauerecke.
    Giovanna nahm ihn rasch dankbar in die Arme. »Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann. Hat dich jemand gesehen?«
    Lorenzo nickte.
    »Leider. Aber zum Glück nur Pietro. Schnell, lasst uns das Tor öffnen, bevor uns jemand hier entdeckt.«
    Die Gräfin stand blass und stumm neben seiner Tante, und Lorenzo fragte sich, welches Grauen ihr vergangene Nacht begegnet sein mochte. Ihre sonst so fröhlichen braunen Augen sahen stumpf an ihm vorbei, ihre Lippen zitterten, auf der Wange hatte sie einen Riss und einen hässlichen dunklen Fleck.
    Lorenzo spürte eine Gänsehaut, als seine Phantasie die Versatzstücke zaghaft zusammensetzte. Er wagte es nicht, nach dem Grafen von Tuszien zu fragen, aber wenn das, was er befürchtete, der Wahrheit entsprach, dann stand ihnen ein langer, gefahrvoller Weg bevor.
    Gemeinsam drückten sie die schwere Holzpforte auf und führten die Pferde zur Brücke über den Burggraben. Normalerweise war der Zugang bewacht, doch offensichtlich war Manfred vor lauter Glückseligkeit über den gelungenen Brauthandel sorglos geworden. Niemand hielt die kleine Gruppe auf.

D er Falke krallte sich an seine Lieblingsstange und stieß schrille, heisere Schreie aus. Pietro wunderte sich, dass Lorenzo nicht kam, um den Vogel zu beruhigen. Er mochte Lorenzo, einer der wenigen Männer auf der Burg, die immer freundlich zu ihm waren.
    Pietro hatte keine Familie, an seine Eltern konnte er sich nicht erinnern, und Geschwister hatte er nie gekannt.
    Schon als kleiner Junge vor zwanzig Jahren war er auf die Burg gekommen, und eine der Mägde hatte ihn aufgezogen. Seit er sechs Jahre alt war, arbeitete Pietro für seinen Lebensunterhalt. Zuerst hatte er den Viehhirten geholfen, später, als er kräftiger wurde, war er für das Ausmisten der Ställe zuständig.
    Pietro lebte mehr oder weniger in den Ställen. Jetzt, im Sommer, schlief er in irgendeiner Ecke des Burghofs draußen an der frischen Luft. Im Winter, wenn die Nächte im Piemont zugig und eisig wurden, blieb er bei den Pferden, genoss die Wärme der Körper und versuchte im Stroh ein winziges Stück Bequemlichkeit für seinen schlimmen Rücken zu finden.
    Sein Rückgrat war seit vielen Jahren krumm. Die Knochen schmerzten, und an Regentagen war jede Bewegung eine Qual. Manchmal kam die alte Amme der Gräfin, um

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