Die Maetresse des Kaisers
Ehrwürdigen Schwestern waren nur eine Tagereise entfernt und daher selbst mit einem Kind von gerade mal vier Wochen leicht zu erreichen.
Sie fragte sich, ob die Äbtissin Anstoß daran nehmen würde, dass die Gräfin Lancia unverheiratet mit einem Kind bei ihr Zuflucht suchte, aber sie wollte sich lieber den strafenden Blicken der alten Freundin ihrer Mutter stellen als von Friedrichs Gnaden auf einem seiner Kastelle zu wohnen.
Sie drückte ihre kleine Tochter zärtlich an sich. »Jetzt sind wir beide ganz allein«, flüsterte sie, doch der Säugling maunzte und quengelte, und Bianca sah mit Verwunderung, dass die Kleine schon wieder Hunger hatte.
Karim hatte ihr angeboten, nach einer geeigneten Amme suchen zu lassen, doch Bianca hatte abgelehnt. Sie wollte ihr Kind selbst stillen.
Außerdem spürte sie eine nagende Angst, wenn sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, warum sie eigentlich gestürzt war. Immer noch war sie nicht sicher, ob Sofia, die Hebamme, sie nicht doch gestoßen hatte. Wenn sie aber wirklich die Hände der Hebamme im Rücken gespürt hatte und sich die ganze Sache nicht einfach nur einbildete, dann musste es einen Grund dafür geben, dass die junge Frau ihr offenbar nach dem Leben trachtete.
Bianca konnte sich nicht vorstellen, wieso sie einen solchen Hass heraufbeschworen haben sollte – es sei denn, das Verhalten der Hebamme resultierte gar nicht aus irgendeiner persönlichen Feindschaft, sondern hatte andere Ursachen. Auch nach tagelangem Grübeln fühlte sich Bianca nicht klüger. Dann aber kam ihr der Gedanke, dass jemand Sofia bezahlt haben könnte. Und dafür kam eigentlich nur einer in Betracht – Heinrich von Passau, der immer noch in Enzios Auftrag ihr Leben bedrohte.
Wenn dies zutraf, folgerte Bianca weiter, dann saß sie auf Gioia del Colle wie in einer Falle. Und jetzt hatte sie nicht nur die Verantwortung für ihr eigenes Leben, sondern auch für das von Konstanze. Schon deshalb war es besser, ihr Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen und nicht auf den Schutz und die Liebe des Kaisers zu vertrauen.
In den wenigen Wochen seit Konstanzes Geburt hatte sie Friedrich erfolgreich aus ihren Gedanken verdrängt. Ihre ganze Liebe und Aufmerksamkeit schenkte sie dem Kind, und da sie niemand anderen um sich haben wollte als die Köchin, der sie vertraute, hatte sie mehr als genug mit der Betreuung der Kleinen zu tun.
Ihr fehlte die Muße, um der Sehnsucht nach Friedrich Raum zu geben, doch allmählich hatte sich ihr Tagesablauf eingependelt, und all die neuen Aufgaben, die ein Säugling mit sich brachte, waren Gewohnheit geworden. Und je mehr sie Gelegenheit zum Durchatmen bekam, umso stärker wurde der Schmerz über die Trennung.
Auch in den Wochen nach Konstanzes Geburt hatte sie nichts von ihm gehört, obwohl Bianca sicher war, dass Karim ihm von dem Kind erzählt hatte. Keine Nachricht, kein einziges Lebenszeichen. Ihre Tochter würde ohne Vater aufwachsen.
So bitter diese Erkenntnis auch war, Bianca beschloss, nicht länger über zerstörtes Glück nachzudenken und sich ganz ihrem Kind zu widmen. Zum zweiten Mal hatte sie die nötigsten Reisesachen zusammengepackt, diesmal mit mehr Überlegung und Ruhe. Schon am nächsten Tag wollte sie aufbrechen, und der Stallbursche sollte sie begleiten. Von allen Geschenken, die Friedrich ihr gemacht hatte, wollte sie nur ihre Stute mitnehmen. die Juwelen und kostbaren Kleider ließ sie ohne Bedauern auf Gioia del Colle zurück.
Sie hatte eine Weile gegrübelt, wie sie Konstanze am sichersten mit auf die Reise nahm, und dann ein Tuch so trickreich gewickelt, dass das Kind vor ihrer Brust ruhte und wie in einer Wiege sanft in den Schlaf geschaukelt wurde.
Bianca verließ die Laube im Garten, nachdem sie Konstanze gestillt hatte, um die letzten Vorbereitungen für die Reise zu treffen. Noch einmal schritt sie durch alle Räume des Kastells, verweilte im Thronsaal und strich mit den Fingerspitzen über die filigranen Verzierungen des Kaiserthrons. Sie schlenderte durch die Küche und die Vorratsräume, stieg mit gemischten Gefühlen die Treppe zum Obergeschoss hinauf und stand noch mal auf der Stufe, die ihr fast das Leben gekostet hätte.
Sie ging in ihr Zimmer und legte Konstanze in ihr Bett. Einen einzigen Raum hatte sie nicht betreten, und sie schwor sich, dies vor ihrer Abreise auch nicht zu tun. Friedrichs Zimmer barg zu viele schöne Erinnerungen, um sie einfach begraben zu können. Es war besser, die Tür nicht zu
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