Die Maetresse des Kaisers
er bereits einen Abstecher in die Hölle hinter sich. Der Medicus rümpfte die Nase und unterdrückte ein Würgen. Der Geruch war unerträglich. Er kroch in die Kleider, in die Haare, die Nase und legte sich auf die Zunge. Später, nahm er sich vor, würde er Salbei gegen den schlechten Geschmack kauen.
Er hatte in seinem Leben zu viel gesehen, um sich von einem verletzten Ritter aus der Ruhe bringen zu lassen. Mit dem Heer des Grafen Simon de Montfort war er gegen die Albigenser ins Languedoc gezogen. Er hatte verstümmelte Ritter beim Sterben erlebt, hatte halb abgetrennte Gliedmaßen ganz entfernt und die Männer schreiend vor Schmerz und Verzweiflung verbluten sehen. Für den Rest seines Lebens hatte er genug verkohltes Fleisch von den Scheiterhaufen, auf denen man die Albigenser verbrannte, gerochen. Ritter töteten für das Kreuz, und sie starben für das Kreuz.
Er würde diesen hier behandeln wie alle anderen auch. Die Wunde musste gesäubert und ausgebrannt werden, dann würde er sie verbinden und Umschläge gegen das Fieber anbringen. Alles Weitere lag in Gottes Hand. Er warf dem Grafen Lancia einen kurzen Blick zu.
»Ihr könnt ihn jetzt festhalten. Das Messer ist heiß genug. Auch wenn er bewusstlos ist – ich brauche zwei kräftige Männer.«
»Du, Pietro, komm her. Du hast ihn gefunden, vielleicht bringst du ihm jetzt auch Glück. Halte seine Beine. Ich selbst nehme ihn bei den Schultern.«
Dem Medicus war die unterdrückte Wut in der Stimme des Grafen nicht entgangen. Er wusste natürlich, dass der stinkende Körper unter seinen Händen Enzio Pucci, Graf von Tuszien, gehörte, dem Mann, dem die schöne Schwester des Grafen Lancia versprochen war.
Dem Fest, das gestern zu Ehren Enzios gefeiert worden war, verdankte er immerhin ein großes Stück Kapaun, einen Braten, den er sich schon lange nicht mehr geleistet hatte. Ansonsten hatte er am Krankenlager eines anderen verletzten Ritters Wache gehalten und konnte sich keinen Reim darauf machen, wie ausgerechnet der mächtige Graf von Tuszien mit einer Stichwunde im Rücken in die stinkende Kloake im Burggraben gekommen war.
»Ich brenne die Wunde jetzt aus«, sagte der Medicus und schnitt mit der glühenden Klinge in Enzios Fleisch. Leider war dessen Ohnmacht nicht so tief, wie der Medicus gehofft hatte, und er bäumte sich wie im Krampf auf. Er stieß ein tiefes Stöhnen aus, dann erschlafften seine Muskeln, und Enzio fiel in die tiefe Besinnungslosigkeit, die der Medicus ihm für die Behandlung gewünscht hatte.
»Hast du ihn umgebracht?«, fuhr ihn Manfred Lancia an, der keinen Grund sah, Enzios Schultern länger zu halten. Nervosität entlud sich in Zorn, und der Medicus spürte, wie sich Manfreds Besorgnis über den Zustand des Grafen von Tuszien in eine unverhüllte Drohung ihm selbst gegenüber wandelte. In diesem Moment wusste er, dass Enzios Tod auch den seinen bedeuten würde.
»Er lebt«, beruhigte er den Grafen. »Und wenn Gott es will, wird er weiter leben.«
»Dann bete zum Himmel, dass es so kommt. Du stehst in dem Ruf, vielen Rittern geholfen zu haben. Sieh zu, dass Enzio gesund wird.« Manfred warf dem Medicus einen warnenden Blick zu. »Stirbt er, wirst du die Burg nicht mehr verlassen.«
Kalte Furcht kroch dem Medicus über den Rücken, und seine Hände zitterten leicht, als er eine Kompresse aus gezupften Leinenfasern in Rotwein tränkte und auf die Verletzung des Grafen von Tuszien drückte.
Als das Blut notdürftig gestillt war, befeuchtete er einen einfachen rechteckigen Leinenlappen mit Rosenöl, legte ihn auf die gesäuberte Wunde und bedeckte ihn mit einem Stück Wolle. Auch darauf träufelte er vorsichtig ein paar Tropfen Rosenöl, faltete dann ein Leinentuch zu einer Kompresse, die er mit einer Binde über der Wunde befestigte. Anschließend prüfte er noch einmal, ob Kompresse und Binde auch nicht zu fest saßen, und sah sich suchend nach Pietro um.
»Du, komm her. Ich brauche Kräuter für die Medizin des Grafen. Du bleibst hier und hältst Wache. Sieh zu, dass er sich nicht bewegt. Die Wunde darf nicht wieder aufbrechen.« Der Medicus blickte Pietro prüfend ins Gesicht. »Hast du mich verstanden?«
Pietro nickte eifrig, aber Angst schnürte ihm die Kehle zu. Er sollte mit dem Dämon allein bleiben. Dies war kein Mensch, da war er sich sicher, auch wenn er wie ein Mensch geblutet hatte. Dies musste eine Kreatur der Hölle sein. Kein Geschöpf Gottes, davon war Pietro überzeugt, wäre aus dem Burggraben
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