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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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um die Dörfer in der Nähe der Burg herumgeführt. Sie hatten aus Bächen getrunken und Beeren gegen den Hunger gesammelt. Mittags, als die Sonne am höchsten stand, hatten sie sich im Wald versteckt und im Schatten ausgeruht. Anschließend waren sie weitergezogen, über schmale Pfade durch dichten Wald.
    Schon nach wenigen Stunden hatte Bianca die Orientierung verloren und verließ sich voll und ganz darauf, dass Lorenzo und Giovanna den Weg nicht verfehlen würden. Und als sie endlich ihr erstes Ziel erreicht hatten, war Bianca todmüde auf das einfache Strohlager gesunken, das der Tuchmacher ihnen anbot, und in einen tiefen und traumlosen Schlaf gefallen.
    Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft nahm sie sich Zeit für ihre Umgebung. Sie lag auf einem Strohsack in einer Ecke eines mittelgroßen Raums. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Tisch mit einer einfachen Bank, weiter links entdeckte sie einen Backofen. Aber was ihre Neugier am meisten reizte, waren die großen Kübel mit Wolle und die Kämme aus Horn und Metall auf dem Tisch. Sie hatte noch nie die Werkstatt eines Tuchmachers betreten, und sie fragte sich, ob ein Teil ihrer Garderobe in ebendiesem Raum entstanden war.
    Bianca hörte eine Tür ins Schloss fallen, stand eilig auf, wusch sich Gesicht und Hände in einer Schüssel mit angenehm kühlem Wasser, zupfte das Stroh von ihrem Kleid und machte sich auf die Suche nach den anderen. Aus dem Stall drang das leise Schnauben der Pferde, dann vernahm Bianca gedämpfte Stimmen und Bruchstücke einer Unterhaltung.
    »Hier seid ihr nicht sicher«, sagte ein Mann. »Manfred Lancia wird euch verfolgen und jagen wie einen tollwütigen Eber. Wenn er euch findet, enden wir alle auf dem Scheiterhaufen.«
    Bianca erkannte Giovanna, die ihm antwortete. »Du hast recht, Emilio, wir bringen euch alle in Gefahr. Ich danke dir, dass wir bei dir ausruhen durften und wieder zu Kräften kommen konnten, aber noch heute Nacht ziehen wir weiter.«
    »Und wohin wollt ihr euch wenden?«, fragte Emilio eindringlich. »Du bist verwundet und brauchst dringend Pflege. Die Gräfin ist viel zu jung und zu schön, um gefahrlos durch das Land zu reiten. Wir haben unsichere Zeiten. Und wenn sich im Land herumspricht, dass Manfred Lancia euch sucht, dann ist Bianca Freiwild für jeden Söldner.«
    Bianca betrat den Stall und wandte sich an Emilio, den Tuchmacher. »Habt Ihr einen Plan oder nur Einwände?«
    Beide, Giovanna und Emilio, sahen Bianca überrascht an. Emilio fasste sich als Erster.
    »Ich habe keinen Plan, leider. Aber ich weiß, dass Ihr so nicht reisen könnt. Und selbst wenn Lorenzo Euch begleitet – ein Mann allein reicht zu Eurem Schutz nicht aus. Ihr würdet nicht einmal bis an die Küste nach Venezien kommen.«
    »Das ist wahr«, sagte Lorenzo, der einen großen Kübel Wasser für die Pferde schleppte. Alle Augen richteten sich auf ihn. »Hört meinen Vorschlag. Giovannas Wunde muss ausheilen, und deshalb bringt Emilio sie ins Haus der Albigenserinnen in Turin. Eine der Frauen, Berengaria, stammt aus dem Languedoc und ist eine berühmte Heilkundige. Sie wird meiner Tante helfen. Ich bleibe bei der Gräfin und begleite sie so lange, bis sie vor ihrem Bruder in Sicherheit ist.«
    Emilio sah Lorenzo skeptisch an. »Was ist, wenn ihr in die Hände von Soldaten fallt? Bianca ist eine kostbare Beute.«
    »Keine Angst, wir reisen im Schutz der Kirche.« Lorenzo hielt zwei dunkle Gewänder aus grobem Tuch hoch. »Wir reisen als Pilger.«
    »Ach Lorenzo, Bianca wird nie in Sicherheit sein«, murmelte Giovanna. »Ihr Bruder wird sie bis ans Ende der Welt jagen.«
    »Aber er wird mich nicht finden«, erwiderte Bianca voller Zuversicht. »Ich weiß jetzt, wo wir Schutz finden. Wir gehen nach Apulien.«
    »Nach Apulien?«, stieß Giovanna ungläubig hervor.
    »Zur Äbtissin im Kloster der Ehrwürdigen Schwestern von Bari. Erinnere dich, Giovanna. Clara von Siena ist eine alte Freundin meiner Mutter. Du hast mir selbst erzählt, wie sehr sie damals gelitten hat, als meine Mutter starb. Und in all den Jahren hat sie mir immer wieder Briefe geschrieben.«
    »Gütiger Himmel«, stöhnte Lorenzo, »wie sollen wir jemals bis Apulien kommen?«
    »Wir nehmen ein Schiff Richtung Brindisi«, antwortete Bianca.

D er Medicus seufzte und blickte konzentriert auf die Flamme, die die Messerklinge langsam zum Glühen brachte. Der Mann, der vor ihm auf dem Tisch lag, war so gut wie tot, und nach dem Gestank, den er verströmte, zu urteilen, hatte

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