Die Maetresse des Kaisers
verkaufen. Und warum? Weil du Land, Geld und Einfluss gewittert hast. Enzio hat unseren Hausfrieden gebrochen und wollte mir Gewalt antun. Er hat Giovanna fast umgebracht, und ich wage nicht daran zu denken, was er mit mir vorhatte. Und trotzdem hast du dich nicht auf meine Seite gestellt. Im Gegenteil, du hast zugelassen, dass er mir seine Mörder auf die Fersen hetzt. Einer von ihnen hat die Frau des Tuchmachers getötet. Glaubst du, ich habe das alles vergessen?«
»Bist du fertig?«, fragte Manfred.
»Nein, mein Bruder, ich bin noch nicht fertig. Lorenzo und ich sind vor diesen Dämonen der Hölle bis ans Ende der Welt geflohen, wir sind als Sklaven verkauft worden, und wenn du mutig genug bist, was ich bezweifle, dann gehst du zu Lorenzo und bittest ihn um Verzeihung, denn er hat weiß Gott mehr gelitten als deine Schwester.«
»Ich verspreche dir, ich werde zu Lorenzo gehen. Und wenn er will, kann er in allen Ehren seinen alten Dienst antreten.«
»Das will er ganz sicher nicht. Lorenzo ist glücklich hier, und ich werde dich mit meinen eigenen Fäusten hinausjagen, wenn du ihm irgendeinen Kummer bereitest.«
»Bianca, ich weiß, ich habe einen schrecklichen Fehler gemacht, und das, was geschehen ist, kann ich nicht mehr ändern. Mit dieser Schuld werde ich leben müssen. Mir ist klar, dass weder du noch Lorenzo eure Erlebnisse jemals vergessen werdet. Aber vielleicht verlieren sie mit der Zeit ihren Schrecken, und vielleicht finden auch wir wieder einen Weg zueinander.«
Bianca ließ sich erschöpft auf einen Schemel sinken.
»Wie kommst du überhaupt hierher. Und wie hast du mich gefunden?«, fragte sie ihren Bruder misstrauisch.
»Ehrlich gesagt habe nicht ich dich gefunden. Und ich habe auch gar nicht nach dir gesucht.«
Sie sah kurz auf und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe dich nicht. Was soll dann das Getue um Verzeihung und Vergebung?«
»Es war ein Zufall, dass ich auf die Spur meiner verlorenen Schwester gestoßen bin. Ein glücklicher, dachte ich.«
»Darüber kann man geteilter Meinung sein«, entgegnete sie.
»Du bist noch genauso starrsinnig wie früher«, konterte Manfred erbost.
»Ah«, sagte Bianca. »Endlich sind wir wieder bei unserem alten vertrauten Ton. Wer nicht deiner Meinung ist, ist dein Gegner.«
»So habe ich es nicht gemeint. Tut mir leid.«
»Erzähl mir etwas über den angeblich glücklichen Zufall.«
»Das ist eine lange Geschichte, und ich könnte mir vorstellen, dass du sie lieber von jemand anderem hören möchtest.«
»Erfindest du jetzt Rätselspiele?«
»Nein, aber ich bin nicht allein gekommen …«
Bianca wurde hellhörig. »Du wirst es nicht wagen, mich hier zu bedrohen. Ich stehe unter dem Schutz der Äbtissin Clara von Siena.«
»Beruhige dich. Niemand bedroht dich. Wann wirst du mir endlich glauben, dass die Vergangenheit für mich tot und begraben ist?«
Sie schwieg, denn tot und begraben waren auch ihre beiden Verfolger, und sie hielt es nicht für klug, dies ihrem Bruder jetzt schon zu verraten. Außerdem war sie neugierig geworden, mit welchen Überraschungen Manfred noch aufwarten würde.
Als seine Schwester keine Anstalten machte, etwas zu sagen, ergriff er erneut das Wort. »Du hast mich gefragt, woher ich weiß, wo du dich aufhältst. Hier hast du die Antwort: Ich weiß es von Karim an-Nasir, dem Leibarzt des Kaisers.«
Mit dieser Eröffnung setzte er seine Schwester schachmatt. Sie drückte ihre Finger an die Schläfen und sah zu Boden.
»Es ist alles so verwirrend. Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Was hast du mit Karim zu tun?«
»Ich stehe im Dienst Kaiser Friedrichs.«
»Das ist nicht wahr«, flüsterte sie.
»Frag ihn doch selbst«, sagte Manfred, der es müde war, mit seiner Schwester zu streiten.
Bianca sprang auf und stieß dabei den Schemel um, der scheppernd auf den Boden fiel. Sie hatte genug von dieser Auseinandersetzung und das Gefühl, ihr Bruder habe alle Chimären ihrer Vergangenheit allein durch seine Anwesenheit zu neuem Leben erweckt. Sie sehnte sich nach ihrem Kind, wollte Konstanze an sich drücken, ihren Geruch einatmen und Manfred, Karim, selbst Friedrich vergessen.
Manfred machte einen Schritt auf sie zu, doch sie war schon auf dem Weg zur Tür.
»Bianca, warte!«, rief er.
Aber sie riss die Tür auf und prallte direkt gegen die Brust des Kaisers.
Sie taumelte zurück, doch Friedrich fing sie auf und hielt ihre Hände fest.
»Schlag mich nicht noch einmal«, flüsterte er mit rauher Stimme, bevor
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