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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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er sie küsste.

K onstanze trippelte auf unsicheren Beinen ihrem Vater entgegen. Sie war barfuß und trug ein kurzes Hemdchen, ihr Haar fiel ihr in weichen Locken bis auf die Schultern. Sie wankte ein bisschen, und einmal schien sie zu stolpern, doch sie lief unbeirrt weiter und jauchzte vor Freude, als ihr Vater sie zur Belohnung hoch in die Luft warf.
    Bianca betrachtete die beiden mit zärtlicher Nachsicht. Friedrich vergötterte seine Tochter, schenkte ihr Bälle aus Seide, gefüllt mit Gänsedaunen, und aus Leder, gefüllt mit Hirsekörnern. Sie hatte Puppen, deren Kleider aus demselben kostbaren Stoff gearbeitet waren wie die ihrer Mutter, und kleine Pferde aus Holz, die sie unablässig aufstellte und wieder umwarf.
    Friedrich konnte so ausgelassen spielen, als wäre er selbst ein Kind, und jeder sah, dass er seine kleine Tochter liebte. Für Bianca war dies eine neue, unbekannte Seite an ihm, die sie weder geahnt noch erwartet hatte. Nie hätte sie gedacht, dass Friedrich, der so streng über seinen ältesten Sohn Heinrich urteilen konnte, so geduldig und verständnisvoll mit einem kleinen Kind umzugehen vermochte.
    Konstanze saß mit ihrem Vater auf seinem Lieblingspferd im Sattel, und er ritt mit ihr in die Wälder, die das Kastell Gioia del Colle umgaben. Er zeigte ihr die Falken und ließ sie mit den zutraulichsten seiner Jagdhunde spielen. Und das Kind zeigte keinerlei Angst den Tieren gegenüber und hatte sich bislang auch nicht den kleinsten Kratzer zugezogen.
    Konstanze betrachtete die Natur mit staunenden Kinderaugen und ließ eine Gartenspinne ebenso unbefangen über ihre Hand krabbeln, wie sie die Schmetterlinge bewunderte, die sich auf den Blumen niederließen. Seit sie wieder auf Gioia del Colle lebten, führte Friedrich mit seiner Familie eher das unbeschwerte Leben eines Landedelmannes als das eines regierenden Kaisers. Und manchmal fragte sich Bianca mit einer bangen Vorahnung, wie lange ihr Glück wohl dieses Mal halten würde.
    Bianca hatte das Kloster der Ehrwürdigen Schwestern mit Wehmut verlassen, denn seine Bewohnerinnen waren ihr mehr ans Herz gewachsen, als sie zugeben wollte. Andererseits war das Angebot der Äbtissin, das Gelübde abzulegen und auf Dauer im Kloster zu bleiben, ein Gedanke, der Bianca von Anfang an nicht behagt hatte. Trotz aller Sicherheit, die ihr das Kloster gewährt hätte, wäre sie doch unfrei in ihren Entscheidungen gewesen und hätte einen Entschluss treffen müssen, der sich nicht mehr rückgängig machen ließ.
    So hatte sie mit Clara von Siena vereinbart, auch weiterhin für die Schwestern Schreibarbeiten zu erledigen, und es war ihr gestattet worden, das Werk der Hildegard von Bingen mit nach Gioia del Colle zu nehmen.
    Friedrich hatte auf ihren Eifer, was das Studium dieses Buches betraf, zunächst überrascht reagiert, ihr dann aber alle Freiheiten gelassen, die sie für ihre Arbeit brauchte. Da er das naturkundliche, aber auch das philosophische Werk der deutschen Äbtissin kannte und schätzte, sah er keinen Grund, Bianca die Freude zu verderben, das Buch
Causae et Curae
weiter im Auftrag der Nonnen zu kopieren.
    Der kleine Konrad, Friedrichs Sohn aus seiner Ehe mit Isabella von Brienne, rannte durch den Garten und lief mit seinem winzigen Holzschwert, das Lorenzo ihm geschnitzt hatte, auf Bianca zu. Da seine Mutter kurz nach seiner Geburt gestorben war, hatte eine Amme ihn gestillt und aufgezogen. Bianca war der Meinung, dass sich Konrad zu oft und zu lange in der Obhut wechselnder Betreuer und Erzieher befunden hatte, und versuchte ihm nun ein bisschen mütterliche Wärme zu geben. Konstanze betrachtete ihn als ihren Bruder, auch wenn Bianca nicht seine Mutter war, und bewunderte ihn bedingungslos.
    Doch der vierjährige Junge war launisch und trotzig und nicht leicht zu lenken. Er liebte seinen Vater und hatte doch auch ein bisschen Angst vor ihm, was Bianca nicht weiter verwunderlich fand, denn immerhin hatte er ihn lange nicht gesehen, und wenn Friedrich seinem zweitgeborenen Sohn einen Besuch abgestattet hatte, war es meist in Eile und in Anwesenheit diverser Würdenträger geschehen.
    Konrad war in den ersten vier Jahren seines Lebens zwar nicht vernachlässigt worden, aber die tiefe Liebe, die nur Eltern ihren Kindern entgegenbringen, hatte ihm eindeutig gefehlt. Bianca hoffte, dass ihm nicht ein ähnliches Schicksal wie Friedrichs erstem Sohn Heinrich bevorstand, der viel zu früh in einem fremden Land allein gelassen worden war und nun bei

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