Die Maetresse des Kaisers
schaute, konnte sie niemanden entdecken.
»Ich fange schon an Geister und Dämonen zu sehen«, ärgerte sie sich.
Heinrich von Passau und sein schwarzer Scherge waren ihr mit Sicherheit auf den Fersen, aber sie hielt es für unwahrscheinlich, die beiden hier in Comácchio zu treffen. Es fuhren viele Schiffe in den Süden, und an der Adriatischen Küste gab es eine ganze Reihe von Häfen. Dennoch blieb sie wachsam und gönnte sich auch in der Nacht vor der Abfahrt, die sie auf Erlaubnis des Kapitäns bereits an Bord verbringen durften, kaum Schlaf.
Als die Sonne aufging, kamen die letzten Vorräte und die übrigen Passagiere an Bord. Bianca atmete auf. Ein schwarz gekleideter Mann war nicht dabei.
K arim stand am Hafen und starrte weit hinaus auf die silbrig glänzende See. Es ging das Gerücht, die Flotte des Landgrafen von Thüringen sei bereits kurz vor Brindisi, doch er wartete nun schon seit Stunden, und außer den üblichen Galeeren und Frachtschiffen konnte er nichts entdecken. Er hatte dem Kaiser versprochen, sich sofort nach der Ankunft um den Landgrafen Ludwig IV . zu kümmern, um jedes Risiko einer Ansteckung so gering wie möglich zu halten.
Außerdem war er mit Friedrich übereingekommen, dass sowohl der Kaiser selbst als auch der Landgraf bis zur endgültigen Weiterreise ins Heilige Land auf der Insel San Andrea Schutz vor der Seuche suchen sollten. Die Luft war dort wesentlich frischer, die Gefahr, am Sumpffieber zu erkranken, so gut wie gebannt.
Karim war nicht erfreut, seine knappe und wertvolle Zeit mit Warten zu verschwenden, aber bei Friedrichs Bitte hatte es sich eindeutig um einen kaiserlichen Befehl gehandelt, verpackt in freundschaftliche Worte, aber dennoch unmissverständlich.
Der Sarazene glaubte inzwischen nicht mehr, dass die Flotte heute noch eintreffen würde, und erwog, in das Hospital im Lager zurückzukehren. Er würde einen der Kundschafter bitten, nach den Schiffen Ausschau zu halten. Seine Anwesenheit war bei den Kranken und Sterbenden wichtiger als im Hafen.
Wenigstens war die Kaiserin Isabella sicher in Otranto eingetroffen. Eine Ansteckung mit dem Fieber war dort höchst unwahrscheinlich, Komplikationen ihrer Schwangerschaft, die sich, da hatte Karim inzwischen keine Zweifel mehr, in einem frühen Stadium befand, waren es allerdings nicht.
Der Kaiser hatte zufrieden gelächelt, als Karim ihm die frohe Botschaft überbracht hatte. Immerhin war er bereits seit zwei Jahren mit Isabella verheiratet. Karim sah die Schwangerschaft jedoch mit wachsender Sorge, zumal er selbst Friedrich auf dem Kreuzzug begleiten und bei auftretenden Problemen nicht zur Stelle sein würde. Und dass es Schwierigkeiten geben würde, hielt er für so gut wie sicher.
Sein Blick schweifte über den Hafen und verweilte bei einem Seeschiff, das erst vor kurzem festgemacht hatte. Ein Teil der Besatzung und mehrere Passagiere waren bereits von Bord gegangen, als zwei Pilger in schmutzigen Gewändern das Schiff verließen.
Beide sahen blass und kränklich aus, und Karim, der die Tücken der Seefahrt kannte, lächelte mitleidig. Er hatte tapfere Ritter, die im Kampf den Tod verachteten, an Bord eines Schiffes so elend erlebt, dass die Männer darum bettelten, sterben zu dürfen. Die Krankheit, die die Menschen auf dem Wasser plagte, so dass sie nicht in der Lage waren, auch nur einen Bissen bei sich zu behalten, war selbst bei erfahrenen Seeleuten gefürchtet. Wie viel mehr Schrecken hielt sie für die bereit, die zum ersten Mal über das Meer fuhren.
Aus dem Augenwinkel beobachtete er, wie sich die beiden Pilger im Schatten einer Platane niederließen. Sie wirkten erschöpft, und dem einen rutschte in einem unbedachten Moment die Kapuze vom Kopf. Überrascht sah Karim, dass es sich keineswegs um einen Mann, sondern um eine Frau mit langem blondem Haar handelte. Eine überaus schöne Frau, wie er mit Kennerblick feststellte.
Seine Neugier war jetzt geweckt, und er nahm sich vor, dem seltsamen Paar noch eine Weile seine Aufmerksamkeit zu schenken. Die Frau hatte hastig ihr Haar wieder bedeckt und wandte sich jetzt ihrem Begleiter, unzweifelhaft ein Mann, zu. Karim sah, dass zwar ihre Kleider alt und abgetragen waren, aber ihre Haltung, ihre Gesten, ihre ganze Art darauf schließen ließen, dass sie aus einer vornehmen Familie stammte.
»Also ist sie eine Dame«, murmelte der Sarazene, der große Lust hatte, dieses Rätsel zu lösen. Er beschloss, vorerst nicht ins Lager zurückzukehren, sondern den
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