Die Maetresse des Kaisers
Mann überfallen hat?«
»Ich denke, weil er ein Räuber ist.«
»Kanntet Ihr ihn?«
»Nein. Wir kennen hier niemanden. Unser Schiff hat erst heute festgemacht. Wir sind von Comácchio aus nach Brindisi gesegelt. «
Karim verzichtete darauf, noch mehr Fragen zu stellen. »Seid auf der Hut«, warnte er die beiden, »in der Stadt wütet das Fieber. Besser, Ihr zieht so schnell wie möglich weiter.«
Der Sarazene konnte spüren, wie die Angst von ihnen Besitz ergriff. Er kannte diese Reaktion, denn jeder, der seine Sinne beisammen hatte, fürchtete das Fieber mehr als den Teufel. Er verbeugte sich leicht vor den Pilgern und beeilte sich, zurück zum Lager zu kommen. Er hatte viel Zeit verloren, aber diese Begegnung war es wert gewesen.
»Ihr wart lange am Hafen«, empfing ihn der Kaiser bei seiner Rückkehr. »Wir wollten schon Kundschafter aussenden.«
»Ich habe vergeblich auf den Landgrafen von Thüringen gewartet. Hoffen wir, dass die Flotte morgen einläuft.«
»So war Euer Tag höchst langweilig?«
»Im Gegenteil«, antwortete Karim. »Ich habe eine interessante Bekanntschaft gemacht – und einen deutschen Baron getroffen.«
Friedrich sah auf. »Wen?«, fragte er in scharfem Ton.
»Heinrich von Passau.«
»Das ist seltsam. Glaubt Ihr, er will am Kreuzzug teilnehmen?«
»Nein, ich glaube, er ist unter die Diebe gegangen.«
»Das ist nichts Neues, Karim. Die meisten meiner Vasallen im Norden sind nichts als Räuber und Wegelagerer.«
»Aber neu ist, dass einer von ihnen jetzt Pilger überfällt.«
Friedrich blickte ihn ungläubig und amüsiert zugleich an. »Heinrich von Passau überfällt Pilger? Seit wann sind Pilger eine lohnende Beute?«
»Seit sich Pilger in schmutzigen Gewändern als überaus schöne und vornehme Damen entpuppen.«
»Jetzt wird es interessant«, sagte der Kaiser und nahm ganz gegen seine Gewohnheit einen Schluck Wein. »Was wisst Ihr über diese Dame?«
»Sie heißt Bianca – und sie ist eine Lügnerin.«
»Sprecht weiter.«
»Sie sagt, sie sei die Frau eines Tuchmachers und ihr Begleiter sei ihr Bruder.«
»Und das ist nicht die Wahrheit?«
»Niemals, mein Kaiser. Sie ist eine Fürstin oder eine Gräfin, da bin ich sicher.«
»Sie kennt also den deutschen Baron?«
»Sie behauptet, nein, aber wie gesagt, sie ist eine Lügnerin.«
Friedrichs analytischer Verstand machte sich daran, dieses Rätsel in seine einzelnen Teile zu zerlegen. Möglicherweise würde es ihm gelingen, sie in sinnvoller Reihenfolge wieder zusammenzusetzen.
»Ich denke«, sagte er, »Heinrich von Passau hat die Frau und ihren Begleiter gekannt. Was meint Ihr?«
Karim nickte. »Ich sehe es ganz genauso. Die beiden trugen schmutzige und zerrissene Pilgergewänder. Kein Dieb der Welt käme auf die Idee, bei ihnen Reichtümer zu vermuten. Der Überfall muss einen anderen Grund gehabt haben.«
»Vielleicht eine Verschwörung?«
»Ich weiß es nicht, mein Kaiser.«
Friedrich warf ihm einen ungeduldigen Blick zu.
»Wisst Ihr überhaupt irgendetwas über diese geheimnisvolle Unbekannte?«
»Sie ist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe«, antwortete Karim.
»Und wo ist sie jetzt?«
»Ich habe ihr und ihrem Begleiter geraten, vor dem Fieber zu fliehen. Aber eine innere Stimme sagt mir, dass sie das nicht tun werden. Also ist sie hier in Brindisi.«
Der Kaiser drehte träumerisch seinen Weinkelch zwischen den Fingern.
E s war ihnen nicht gelungen, eine Herberge zu finden, die Stadt war hoffnungslos überfüllt. Die Menschen schliefen auf dem Boden der Wirtsstuben, in den Ställen, und viele Pilger verbrachten die Nacht auf der Straße. Überall knieten Menschen und flehten Gott, den Allmächtigen, an, sie vor der Seuche zu verschonen.
Bianca hatte sich vor dem verzweifelten Schluchzen der Pilger, die am Ende ihrer Kräfte waren, die Ohren zuhalten müssen. Sie selbst spürte, wie sehr die Flucht ihren Lebensmut verbrauchte. Sie fragte sich, warum Gott sie ihren Verfolgern hatte entkommen lassen, um sie dann in diese Hölle zu führen. Brindisi war nicht ihre Rettung, sondern ihr Verderben. Sie wusste nicht, wen sie mehr fürchten sollte, Heinrich von Passau oder das Fieber.
Gemeinsam mit Lorenzo hatte sich Bianca durch die Masse verschwitzter Leiber zurück zum Hafen gedrängt. Auf verschlungenen Wegen hatten sie endlich die Stella Maris erreicht und den Kapitän gebeten, sie eine weitere Nacht auf dem Schiff schlafen zu lassen. Lorenzo erzählte ihm eine Geschichte aus Notlügen
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