Die Maetresse des Kaisers
Nordwestwind blies, der zum einen für schönes Wetter verantwortlich war und zum anderen eine schnelle und reibungslose Fahrt nach Süden garantierte.
Bianca entdeckte einen Mann auf dem Deck des Schiffes und winkte ihm aufgeregt zu. Sein blasierter Blick wanderte zunächst teilnahmslos über die beiden Pilger hinweg, doch als auch Lorenzo zu winken begann und einen schrillen Pfiff ausstieß, hatten sie die Aufmerksamkeit des Seemannes gewonnen. Er trat an die Reling und schaute die beiden fragend an.
»Wir suchen den Kapitän der Stella Maris«, rief Lorenzo zum Schiff hinüber.
»Und was wollt Ihr von ihm?«, fragte der Mann, während er die beiden mit skeptischem Blick betrachtete.
»Wir wollen eine Passage nach Brindisi kaufen«, antwortete Lorenzo. »Also, wisst Ihr, wo der Kapitän ist?«
»Ihr habt ihn gefunden«, sagte der Mann, der sich keine großen Illusionen über die Finanzkraft der Pilger machte. Abgerissen, wie die beiden aussahen, würden sie vermutlich im nächsten Augenblick an seine Güte und Nachsicht appellieren und ihm versprechen, dass der Himmel es ihm irgendwann danken werde, wenn er sie ohne Entgelt über das Meer brachte. »Mein Schiff ist komplett voll. Wir segeln morgen früh. Für arme Schlucker wie Euch ist wirklich kein Platz mehr an Bord.«
»Wie viel verlangt Ihr für einen Platz?«, fragte Bianca mit fester Stimme, und der Kapitän war einen Moment lang irritiert. Nach der Stimme zu urteilen, musste dieser Pilger noch reichlich jung sein. Ihm fehlte das dunkle Timbre des Mannes. Andererseits war er hochgewachsen und für ein Kind eigentlich zu groß.
Bianca erkannte die Fragen in den Augen des Kapitäns und ärgerte sich über ihre Voreiligkeit. Eigentlich hatten sie und Lorenzo vereinbart, dass sie in der Öffentlichkeit schwieg.
»Ich verlange mehr, als Ihr habt«, antwortete der Kapitän mit einem verächtlichen Blick auf ihre schmutzigen und zerrissenen Gewänder.
Statt Bianca nahm Lorenzo die Verhandlungen wieder auf.
»Lasst uns an Bord kommen, und wir sprechen in Ruhe über den Preis«, schlug er vor. »Ihr werdet nicht enttäuscht sein.«
Der Kapitän grübelte, ob er sich auf die Ankündigungen des Pilgers verlassen könne, schob dann aber seine Bedenken beiseite. Er konnte durchaus noch ein paar zahlungskräftige Passagiere unterbringen. Möglicherweise, dachte er, könnte dies sogar sein Glückstag werden. »Kommt an Bord«, lud er die beiden ein.
Seinem scharfen Blick fiel das feingliedrige Antlitz des jungen Pilgers auf. Er konnte sich für gewöhnlich auf seine Menschenkenntnis verlassen, und er wollte verdammt sein, wenn dies hier ein Junge war. Ein junges Paar auf der Flucht, vermutete er und gestattete sich ein Lächeln. Heute war tatsächlich sein Glückstag. Eine Frau und ein Mann als Pilger verkleidet – irgendwo hatte er unlängst davon gehört. Doch wer auch immer die beiden verfolgte, es war ihm egal. Für den Kapitän zählte nur eins – der Preis für eine Passage nach Brindisi war in diesem Moment immens gestiegen.
»Willkommen auf der Stella Maris«, sagte er und klopfte Lorenzo zur Begrüßung leicht auf die Schulter. »Gehen wir in meine Kajüte, da können wir in Ruhe alles besprechen.«
Einen Krug Wein und mehrere zähe Verhandlungsrunden später kletterten Bianca und Lorenzo auf etwas wackligen Beinen von Bord, um die nötigen Vorräte zu besorgen.
»Der Mann ist ein Betrüger«, zischte Bianca voller Zorn. »Er hat uns fast unser ganzes Geld abgenommen. Bist du sicher, dass er ein christlicher Seefahrer ist?«
»Was soll er sonst sein?«, fragte Lorenzo.
»Ein Pirat.«
Lorenzo musste laut lachen. »Der Kapitän ist skrupellos, aber ein Pirat ist er ganz bestimmt nicht. Habt keine Angst. Morgen früh sind wir auf See, und wenn der Kapitän recht behält, erreichen wir in fünf Tagen Brindisi. Dann sind wir in Sicherheit.«
»Hoffentlich«, seufzte Bianca. »Ich bin es leid, hinter jeder Hausecke Heinrich von Passau befürchten zu müssen. Und ich bin so unendlich müde. Glaubst du, an Bord können wir uns endlich ausruhen?«
»Ganz sicher. Was soll während so einer Schiffsreise schon passieren? Wir werden viel Zeit zum Schlafen haben.«
Biancas Niedergeschlagenheit besserte sich ein wenig, und beide sahen sich nach einem Händler um, wo sie Brot, Wasser und Früchte für die Reise bekommen könnten. Einmal meinte Bianca, eine vollkommen schwarz gekleidete Gestalt gesehen zu haben, aber als sie ein zweites Mal in die Richtung
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