Die Maetresse des Kaisers
geheimnisvollen Pilgern unauffällig zu folgen.
Karim konzentrierte sich ein letztes Mal auf den Horizont, an dem immer noch keine Flotte zu sehen war. Die beiden Pilger knabberten Rosinen und Mandeln und schienen sich, seit sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, schnell zu erholen. Nach einer Weile standen sie auf und schlugen den Weg ins Innere der Stadt ein, der durch ein Labyrinth von schmalen Gassen führte. Karim sah ihnen unauffällig nach und wollte in dieselbe Richtung schlendern, als er einen Mann entdeckte, der das Paar ebenfalls zu verfolgen schien.
Er pfiff leise durch die Zähne. Die Sache wuchs sich zu einem immer größeren Rätsel aus. Der Unbekannte war groß und schlank, und sein Gesicht kam Karim vage bekannt vor. Allerdings konnte er sich nicht erinnern, wann und wo er den Mann schon einmal gesehen hatte.
Die beiden Pilger entfernten sich mit raschen Schritten vom Hafen, und Karim fragte sich, wann es ihnen auffallen würde, dass sich diese heiße Stadt in einem Ausnahmezustand befand. Irgendwann mussten sie erkennen, dass die Händler keine Waren mehr anboten und die Kirchen überfüllt waren mit Menschen, die um Schutz vor der Seuche beteten. In den Gassen duftete es schwach nach Weihrauch, aber mehr und mehr überlagerte der Gestank der verbannten Toten alle anderen Gerüche.
Der Fremde, der sich ebenfalls auf die Spur der Pilger gesetzt hatte, hielt penibel Abstand, so dass er nicht gesehen wurde. Karim bemühte sich, dasselbe zu tun. Es war längst Abend geworden, und die Sonne versank wie ein roter Ball am Horizont. Morgen würde es wieder ein heißer Tag werden, aber jetzt brachte die Dämmerung etwas Abkühlung. In einigen besonders engen Gassen herrschte schon fast Dunkelheit, und die beiden Pilger sahen sich mehrmals nervös um.
Karim bemühte sich, weder den Fremden noch die Pilger aus den Augen zu verlieren, und dennoch waren sie plötzlich verschwunden. Er blieb stehen und sah sich suchend um.
Sein Weg hatte ihn auf einen kleinen Platz geführt, von dem aus verschiedene schmale Gassen abzweigten. Welche davon hatten die Pilger gewählt? Karim war ratlos, aber noch während er darüber nachdachte, ob er sich nach rechts oder nach links wenden sollte, hörte er einen unterdrückten Schrei. So schnell er konnte, rannte er in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war, und sah den Fremden im Kampf mit den beiden Pilgern. Der Unbekannte hatte versucht den Mann zu überwältigen, aber sowohl er als auch seine Begleiterin setzten sich heftig zur Wehr. Karim hörte, wie der Angreifer die beiden verfluchte und beschimpfte. Er sprach mit starkem Akzent, und in diesem Augenblick wusste Karim, wen er vor sich hatte – Heinrich von Passau, einer der deutschen Barone, in deren Anwesenheit Friedrich vor Jahren zum König gekrönt worden war.
Weder der Kaiser noch Karim hatten diesem Mann jemals auch nur das geringste Vertrauen entgegengebracht. Karim hielt den Deutschen für einen der skrupellosesten Menschen, die er in seinem Leben getroffen hatte.
Ohne einen weiteren Gedanken zog er sein scharfes gebogenes Messer aus dem Gürtel, fest entschlossen, das Leben der Pilger zu verteidigen. Doch Heinrich von Passau hatte Karims Schritte gehört, stieß einen der Pilger gegen eine Hauswand und verschwand eilig in einen Torbogen. Karim verzichtete darauf, den Deutschen zu verfolgen. Seine Sorge galt den überfallenen Pilgern.
Der Mann lehnte schwer atmend an der Hauswand, die Frau saß erschöpft auf dem Boden.
»Seid Ihr verletzt?«, fragte der Sarazene, doch beide schüttelten den Kopf.
»Ich bin Karim an-Nasir, der Leibarzt des Kaisers. Ihr könnt mir vertrauen.«
Die schöne Unbekannte und ihr Begleiter wechselten einen Blick, blieben aber stumm.
Karim bückte sich und half der Pilgerin auf die Füße. Sie nickte ihm dankbar zu. Ihr Umhang gab genug von ihrem Gesicht frei, um seinen ersten Eindruck zu bestätigen. Diese Frau war eine Schönheit, und sie wirkte auch klug.
»Verratet mir Eure Namen«, sagte der Sarazene.
Die Pilgerin zuckte resigniert mit den Schultern. »Ich glaube, Ihr habt ein Recht darauf, Karim an-Nasir, denn ohne Euch wären wir verloren gewesen. Danke für Euren Mut. Mein Name ist Bianca, ich bin die Frau eines Tuchmachers. Und dieser Mann hier, Lorenzo, ist mein Bruder.«
Karim war der erstaunte Blick des Pilgers nicht entgangen, aber die entschlossene Antwort seiner Begleiterin ließ ihn diesbezüglich schweigen.
»Wisst Ihr, warum Euch der
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