Die Maetresse des Kaisers
die Kreuzritter – nicht mit dem Schwert, sondern mit Hilfe des Wortes die Menschen zu Gott trieb.
Giovanna seufzte. Sie fühlte, dass Berengaria sich früher oder später in große Gefahr begeben würde.
»Wohin werdet Ihr gehen, wenn Ihr dieses Haus, vielleicht sogar Turin verlassen müsst? Wer wird Euch helfen, wenn alle Eure Brüder und Schwestern ebenfalls um ihr Leben fürchten müssen? Berengaria, ich beschwöre Euch, seid vorsichtig, traut niemandem.«
»Es ist meine Pflicht, meinen Glauben weiterzutragen.« Die Priesterin der Albigenser hatte ihre gewohnte Ruhe wiedergefunden und lächelte Giovanna an. »Ich werde das tun, was ich tun muss. Kein Mensch auf dieser Welt wird mich daran hindern. Und wenn Gott es will, dass ich dabei sterbe, dann soll es so sein.«
Giovanna nickte. Sie kannte Berengaria gut genug, um zu wissen, dass sie es ernst meinte. Sie würde ihrem Glauben nicht abschwören, selbst dann nicht, wenn ihr der Tod durch die Flammen drohte. Die Priesterin nahm das Gespräch wieder auf.
»Um jedoch deine Frage zu beantworten: Wenn wir Turin tatsächlich verlassen müssen, was ich ehrlich gesagt nicht glaube, dann wenden wir uns nach Süden. Ich habe Freunde in Foggia, die uns aufnehmen werden.«
Giovanna sah Berengaria erstaunt an. »Aber habt Ihr nicht gesagt, dass der Kaiser Euch nicht schützen wird?«
Berengaria zog spöttisch eine Augenbraue hoch. »Der Kaiser hat sich in Foggia einen Palast gebaut, und manchmal gefällt es ihm, für ein paar Wochen dort zu leben. Und? Was weiß er wirklich von der Stadt? Gar nichts. Foggia ist ein ideales Versteck. Mitten in der Höhle des Löwen. Isst du deinen Fisch noch?«
Giovanna schüttelte zerstreut den Kopf. »Nein, ich bin nicht hungrig. Habt Ihr die Forelle extra für mich gekauft? Ich habe Euch noch nie etwas von einem Tier essen sehen.«
»Wir essen kein Fleisch und trinken auch keine Milch, aber bei Fisch machen wir eine Ausnahme. Also beruhige dein schlechtes Gewissen, die Forelle ist nicht eigens für dich auf den Turiner Markt geschwommen.«
Giovanna musste lachen, was ihr in letzter Zeit viel zu selten passierte. Auch die Priesterin lächelte, und in diesem kurzen Moment unbeschwerter Heiterkeit beschloss Giovanna, sich vorerst keine weiteren Sorgen über die Albigenser und schon gar nicht über sich selbst zu machen. Sogar Bianca verbannte sie für einen Moment aus ihren Gedanken und kicherte sogar dann noch wie ein junges Mädchen, als Berengaria längst die Tür hinter sich geschlossen hatte.
D ie Septembersonne war in einem diesigen Orange langsam am Horizont verschwunden, aber auch die einsetzende Dämmerung brachte nur wenig Kühlung. Der Tag war stickig und schwül gewesen, und Graf Manfred Lancia fluchte unhörbar über seinen langen Umhang aus schwerer Seide, den er nur zu besonderen Anlässen trug. Denn wie er aus Erfahrung wusste, staute sich unter ihm die Hitze geradezu unerträglich. Schweißtropfen sammelten sich auf seiner Stirn und perlten über seine Adlernase. Er sehnte sich nach einem Becher gut gekühlten Wein.
Seit Wochen hatte er nichts von seiner Schwester Bianca gehört, und er war sich nicht sicher, ob er überhaupt jemals wieder etwas von ihr wissen wollte. Sein Zorn auf sie war noch immer nicht verraucht. Sie hatte alles zerstört, was er sich aufgebaut hatte. Von den Baronen, mit denen er früher zur Jagd geritten war, wurde er gemieden. Die mächtige Familie von Enzio Pucci begegnete ihm mit offener Feindseligkeit, und nur der Kunst des Medicus, die Enzio auf wundersame Weise am Leben gehalten hatte, war es zu verdanken, dass seine Ländereien noch nicht von den Puccis verwüstet worden waren, die Burg noch ihm gehörte und sein eigener Kopf noch nicht auf einer Speerspitze steckte.
Enzio hatte zwar überlebt, war aber noch weit davon entfernt, als gesund zu gelten. Durch die Schere, die ihm Bianca in den Rücken gestoßen hatte, war ein beträchtlicher Schaden an den Muskeln entstanden, und Enzio konnte sich nur unter großen Schmerzen bewegen. Manfred hielt es noch immer für ein Wunder des Himmels, dass der Mann, den er schon als Bräutigam seiner Schwester Bianca gesehen hatte, überhaupt noch lebte.
Heute würde Enzio endlich die Burg der Lancias verlassen können, was Manfred zum einen erleichterte, zum anderen aber auch in Angst und Schrecken versetzte. Selbstverständlich musste das Ereignis entsprechend gefeiert werden, und ausschließlich zu Ehren Enzios hatte er den Umhang der Lancias,
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