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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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Du bist auf der Flucht, aber immer noch frei.
    Bianca konzentrierte sich wieder auf das Schiff des Kaisers und sah, dass an Bord Männer an den Segeln arbeiteten. Die Galeere verlor an Geschwindigkeit, und es kam ihr so vor, als würde sie die Richtung ändern. Auch Lorenzo war aufmerksam geworden, und auf den Schiffen rechts und links von ihnen schauten die Seeleute ebenfalls überrascht auf Friedrichs Galeere.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte Bianca.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Lorenzo, der wie Bianca keinerlei seemännische Kenntnisse besaß.
    »Aber sieh nur, Lorenzo, das Schiff wendet.«
    Der Kapitän, der in der Mitte des Schiffes am Ruder stand, wies einen seiner Männer an, in den Mast zu steigen, um einen besseren Überblick zu haben.
    Bianca runzelte die Stirn. Ihr Gefühl sagte ihr, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Warum sonst sollte die Galeere des Kaisers beidrehen? Kalte Angst kroch in ihr hoch. Gerade noch hatte sie sich einen Moment lang glücklich und leicht gefühlt, jetzt lastete die Unsicherheit wie ein Mühlstein auf ihr.
    Die anderen Schiffe verlangsamten ebenfalls ihre Fahrt, alle Kapitäne warteten auf kaiserliche Befehle. Gebannt starrte jeder nach vorn. Bianca und Lorenzo sahen mit Verwunderung, dass die Galeere die kaiserliche Standarte einholte und kehrtmachte.
    Mit zitternden Händen sprach Bianca einen der Seeleute an.
    »Bitte, antwortet mir. Warum dreht das Schiff des Kaisers um?«
    Der Mann, ein Riese mit kräftigen Armen und von der Sonne gegerbtem Gesicht, hatte Tränen in den Augen, als er sich zu Bianca drehte.
    »Die Flotte segelt allein weiter«, sagte er.
    »Aber warum? Was ist passiert?«, fragte sie verzweifelt.
    »Ein schreckliches Unglück«, stammelte der Seemann. »Der Kaiser ist tot.«

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    TEIL II
    Kampf ums Glück

G iovanna nahm einen Schluck Wasser und schob mit ihrer Holzgabel das nach Rosmarin duftende Essen an den Tellerrand. Sie hatte keinen Hunger. Und davon abgesehen gab es bei Berengaria ohnehin nur Früchte, Brot und einmal in der Woche Fisch. Berengaria war eine Priesterin der Albigenser, eine Perfekte, wie sie von den Gläubigen genannt wurde. Sosehr sie diese Menschen verehrten, galt sie doch bei allen anderen als Ketzerin. Und wer der Ketzerei verdächtig war, setzte für seinen Glauben sein Leben aufs Spiel.
    Schmal und hager glich Berengaria einem knorrigen Stück Holz. Niemand würde auf den Gedanken kommen, dass diese Frau sechs Kinder geboren hatte und Herrin eines großen gräflichen Haushalts war, bevor sie sich den Albigensern angeschlossen hatte. Jetzt lebte sie in einem bescheidenen Haus zusammen mit anderen Frauen, die zwar mit aller Inbrunst an Gott und Christus glaubten, aber die Heiligkeit des Papstes in Rom nicht anerkennen wollten. Und überhaupt legten Berengaria und ihre Freundinnen die Bibel etwas anders aus, als Giovanna es von dem Priester, der regelmäßig auf der Burg der Lancias zu Gast war, gehört hatte.
    Giovanna kannte Berengaria seit ein paar Jahren, und die beiden Frauen schätzten und respektierten sich. Andere, tiefere Gefühle würde Giovanna niemals zulassen, denn sie vergaß nicht, dass Berengaria als vornehme Frau geboren worden war und sie selbst nur als einfache Bäuerin. Wäre sie nicht die Amme der Gräfin Bianca gewesen, hätte sie eine gräfliche Schlafkammer niemals von innen gesehen.
    Der Gedanke an die Burg des Grafen Manfred und an Biancas Schlafgemach im Besonderen ließ sie schaudern. Giovanna betastete vorsichtig ihr verletztes Auge, das trotz Berengarias Heilkunst immer noch schmerzte. Der Wundschorf an ihrer Schläfe war verschwunden, aber es hatte sich eine rosa Narbe gebildet, die dafür sorgte, dass sie bei jedem Augenzwinkern an jene grauenvolle Nacht erinnert wurde, die das Leben von drei Menschen aus der Bahn geworfen hatte – Bianca und Lorenzo waren auf der Flucht, sie selbst musste sich verstecken und jeden Tag um ihr Leben fürchten.
    »Meine kleine Bianca«, seufzte sie und starrte verzweifelt auf das Albigenser-Kreuz an der Wand, dessen perfekte Symmetrie sie immer noch verwirrte, obwohl sie den Anblick jetzt schon seit Wochen gewöhnt war. Das Kreuz, an dem Christus gestorben war und alle Sünden auf sich genommen hatte, war nicht gleichschenklig. Sie empfand die Albigenser-Kreuze ein bisschen wie Gotteslästerung, sagte sich aber wiederum, dass Berengaria und die anderen Frauen aus ihrer Gemeinschaft Menschen waren, die nur Gutes taten. »Bianca, wo bist du

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