Die Maetresse des Kaisers
Umhänge.
Die Clara war viel größer und eleganter als der Küstensegler, die Stella Maris, der sie nach Brindisi gebracht hatte. Ihr Geld hatte für die Passage nicht gereicht, aber Bianca war es gelungen, in der Kirche Santa Maria einige Schreibarbeiten zu erledigen. Sie erhielten dafür neben den Münzen auch noch ein paar Lebensmittel.
Weder Heinrich von Passau noch der schwarz gekleidete Mann waren ihnen erneut begegnet. Bianca hielt das für reines Glück. Sie war davon überzeugt, dass die beiden weiter nach ihnen suchten.
Lorenzo hatte sich mittlerweile damit abgefunden, die weite Reise in ein unbekanntes Land zu wagen. Schlimmeres als ein Leben auf der Flucht konnte sie im Morgenland auch nicht erwarten. Das Einzige, was ihn beunruhigte, war Biancas wachsende Schwärmerei für den Kaiser. Fast war er versucht zu sagen, sie habe sich in den Monarchen verliebt, aber diese Respektlosigkeit verbot sich von selbst.
Tag für Tag sprach Bianca von Friedrich, wollte mehr über ihn erfahren und machte Lorenzo Vorwürfe, dass sie die Bekanntschaft mit seinem Leibarzt nicht vertieft hatten. Immerhin hatte der Mann sie vor Heinrich von Passau gerettet. Lorenzo pflegte Bianca dann kühl daran zu erinnern, dass sie es gewesen war, die dem Sarazenen eine mehr als unglaubwürdige Geschichte erzählt hatte, und dass sie schließlich beide froh gewesen waren, als er sich verabschiedete.
»Du hast ja recht«, räumte sie dann ein, um im gleichen Atemzug hinzuzufügen: »Aber vielleicht war es ein Fehler.«
Den Kaiser und auch seinen Leibarzt hatten sie nicht wiedergesehen. Doch seine alle anderen Schiffe an Größe und Schönheit übertreffende Galeere lag jetzt vor Brindisi und würde die Flotte anführen.
Gerüchte, dass sowohl Friedrich als auch sein Stellvertreter Ludwig von Thüringen an der Seuche erkrankt seien, waberten durch die Stadt, aber niemand wusste, wie viel Wahrheit in ihnen steckte. Lorenzo, der in seinem Leben die Erfahrung gemacht hatte, dass da, wo Rauch aufstieg, auch immer ein Feuer glomm, fürchtete das Schlimmste, hütete sich jedoch, seinen Verdacht vor Bianca auszusprechen. Warum sollte er sie beunruhigen, schließlich wusste er selbst ja nichts Genaues. Die Tatsache, dass alle Schiffe der kaiserlichen Flotte mitsamt der großen Galeere die Leinen losmachten, war selbst für Lorenzo ein sicheres Zeichen, dass die Erkrankung des Herrschers entweder nicht besorgniserregend oder dass er inzwischen genesen war.
»Lorenzo, sieh doch, wir fahren los«, jubelte Bianca, die sich an dem prächtigen Anblick der Schiffe nicht sattsehen konnte.
Es wehte eine angenehme, nicht zu starke Brise, und das Wasser, stellte Lorenzo mit Erleichterung fest, schien flach wie ein Spiegel. Bianca hatte noch niemals das Auslaufen einer Flotte erlebt und erkannte verdutzt, dass die Schiffe gar nicht segelten, sondern von Ruderern, die in mehreren Decks übereinander saßen, auf Fahrt gebracht wurden.
Aus dem Inneren der Schiffe konnte sie rhythmische Rufe hören. Die Männer begannen im Takt die Ruder zu heben und zu senken. Die langen Hölzer tauchten fast lautlos in das Wasser und hinterließen beim Wiederauftauchen kleine Schaumkronen. Ein Schiff nach dem anderen nahm langsam Kurs auf das offene Meer, und auch die Clara fand geschickt ihren Weg aus dem Hafen.
Draußen auf See, wo der Wind stärker wehte als in dem geschützten Hafen, setzte Schiff für Schiff die Segel. Immer weiter blieb der Hafen von Brindisi zurück, bis die Silhouette der Stadt im Dunst zu flirren begann.
Bianca genoss die Luft, die hier frisch und würzig roch und sie endlich vom fauligen Gestank der Stadt befreite. Die Galeere des Kaisers war das schnellste Schiff und hatte als einziges ungewöhnliche dreieckige Segel, alle anderen führten rechteckige Rahsegel. Elegant schnitt Friedrichs Galeere durch das Wasser und zeigte der übrigen Flotte den Kurs an.
Bianca fiel auf, dass das Schiff des Kaisers viel schneller an Fahrt gewann als alle anderen. Sie musste sich zwingen, ihren Blick von dem Schiff zu lösen, um sich ein letztes Mal umzuschauen – nach Brindisi, zum Festland, nach Apulien.
In diesem Moment ließ sie alles zurück. Sie war die Gräfin Lancia, aber hatte dieser Name für sie noch eine Bedeutung? Sie war eine Frau, die alles verloren hatte, ihre Familie, ihre Heimat, ihre Sicherheit. Sie hatte alles aufs Spiel gesetzt und bislang noch nichts gewonnen. Stimmt nicht, sagte eine Stimme in ihr. Du hast dein Leben gerettet.
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