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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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nur?«, flüsterte Giovanna und zwang sich, ihre Sorgen nicht übermächtig werden zu lassen. Ihr Neffe Lorenzo war klug und tapfer, versuchte sie sich zu beruhigen. Er würde Bianca zur Seite stehen, selbst wenn es sein Leben kosten sollte.
    Einen kurzen Moment war sie in Gedanken wieder auf der Burg und hörte die zornige Stimme des Grafen Manfred, der seiner Schwester befahl, ihm zu gehorchen. Dass auch er durch die verhängnisvollen Ereignisse jener Nacht in Schwierigkeiten geraten sein könnte, war Giovanna egal. Schlimmer noch, die sonst so sanftmütige Amme wünschte dem Grafen Tod und Verwesung, schließlich war er mitschuldig an der Tragödie. Wer hatte denn Enzio Pucci als Gatten für Bianca ausgesucht? Niemand anders als Manfred.
    Nachts, wenn sie im Traum wieder und wieder durch die dunklen Gänge der trutzigen Burg schlich, knirschte sie vor Zorn mit den Zähnen. Berengaria hatte sie mehrfach wecken müssen, weil das Geräusch der mahlenden Kiefer und aufeinanderscheuernden Zähne den anderen Frauen Angst machte.
    Giovanna verfluchte Biancas Bruder und seine rücksichtslosen Pläne und dankte ihrem Schöpfer, dass Enzio Puccis brutaler Schlag ihre Sehkraft nicht zerstört hatte. Als halbblinde alte Frau bliebe ihr nichts als die Bettelei, und das bedeutete für die meisten Alten und Schwachen den sicheren Tod.
    »Giovanna, warum isst du nichts?« Berengaria trat durch die schmale Tür, die so niedrig war, dass sich die hochgewachsene, magere Frau tief bücken musste. »Es ist zwar richtig, dass wir Albigenser so profanen Dingen wie dem Essen keine große Bedeutung zumessen, aber du solltest darauf achten, dass du nicht hungerst. Wir müssen dafür sorgen, dass du wieder zu Kräften kommst. Niemand weiß, wie lange unser Versteck noch unentdeckt bleibt.«
    »Was meint Ihr damit, Berengaria?«
    »Noch lassen uns die Stadtväter unseren Glauben, aber schon morgen können wir Verfolgte sein. Im Languedoc sind Tausende von unseren Brüdern und Schwester gestorben. Man hat sie lebendig verbrannt. Verstehst du, Giovanna, die Zuflucht, die ich dir bieten kann, ist eine vage. Nichts ist sicher in diesen Zeiten.«
    Giovanna nickte und trank noch einen Schluck Wasser, denn die Angst vor der Zukunft dörrte ihren Mund aus und machte das Schlucken schwer.
    »Und wohin wollt Ihr gehen, wenn Euch die Stadtväter zu den Toren hinausjagen?«, fragte sie die Priesterin.
    Berengaria antwortete nicht. Giovanna sah ihr in die Augen und erblickte eine so tiefe Traurigkeit, dass sie in einer ungewollten Geste Berengarias Hand ergriff, als könnte sie ihr allein durch die Berührung ein Stück Zuversicht schenken.
    Die Priesterin lächelte. »Du meinst es gut, Giovanna, ich danke dir. Aber seit zwanzig Jahren werden wir gnadenlos verfolgt. Ließ nicht der König von Frankreich genug Männer, Frauen und Kinder niedermetzeln? Nein, auch Papst Gregor wird uns weiter jagen lassen.«
    »Und der Kaiser?«, warf Giovanna ein. »Gilt er nicht als ein gerechter Mann?«
    »Der Kaiser«, antwortete Berengaria bitter, »der schützt zwar die Sarazenen und die Juden in Sizilien, aber uns lässt er auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Auf den Kaiser können wir nicht zählen. Wenn Gott uns gnädig ist, werden wir unsere Aufgabe erfüllen, aber unser aller Leben liegt sowieso in der Hand des Allmächtigen.«
    »Und welche Aufgabe wollt Ihr unbedingt erfüllen?«
    »Giovanna, ich bin eine Priesterin, eine Perfekte. Meine Pflicht ist es, die Menschen zu Gott zu führen. Wer an den alten Mann in Rom glaubt, ist auf dem falschen Weg.«
    Giovanna erschrak und schlug rasch ein Kreuz vor der Brust.
    »Berengaria«, flüsterte sie, »das sind Worte wider unseren Gott. Das dürft Ihr nicht sagen. Ihr seid verloren, wenn Euch jemand hört.«
    Die Priesterin der Albigenser richtete sich stolz auf und warf Giovanna einen ernsten Blick zu.
    »Ich spreche das aus, was mein Gewissen mir sagt. Nennst du das christlich, wie viele Männer der Kirche in Rom leben? Sie saufen und huren und scheren sich den Teufel um das, was Christus gesagt hat. Nein, diese Kirche ist nicht die meine.«
    Noch nie hatte Berengaria so zu ihr gesprochen, und Giovanna hatte die ruhige und besonnene Frau noch niemals so leidenschaftlich gesehen. Ihre Augen schienen Funken zu sprühen, ihre knochigen Finger ballten sich zu Fäusten, und hoch aufgerichtet, mit geradem Rücken, wirkte Berengaria fast wie eine Rächerin des wahren Glaubens, eine himmlische Kämpferin, die – anders als

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