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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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gelingen, Harmonie in dieses Fest zu bringen.
    Bevor er die steinerne Wendeltreppe zum Rittersaal hinunterstieg, hielt er für einen Moment inne und atmete tief durch. Wenn er jetzt Angst zeigte, war er verloren. Also ballte er die zitternden Hände zu Fäusten, um dann die Finger zu entspannen. Er räusperte sich, damit seine belegte Stimme nicht seine Unsicherheit verriet, holte noch mal tief Luft – und öffnete die Tür zur Treppe.
    »Sieh an, sieh an, der feine Graf Lancia.«
    Enzios Begrüßung troff nur so vor Spott und Hohn, und sein Lächeln war verzerrt. Er lehnte mehr, als dass er saß, auf einem der wuchtigen Holzstühle mit den überhohen Lehnen. Man sah ihm an, dass er Schmerzen hatte, doch seine Augen spiegelten nicht die Pein, die ihm die Wunde in seinem Rücken verursachte – aus ihnen sprach Hass. Sein strenger Körpergeruch, den er wie einen Schild vor sich hertrug, hatte sich durch die vielen Arzneien, die Enzio zur Linderung seiner Leiden nehmen musste, nicht verbessert. Im Gegenteil. Der Graf von Tuszien stank mehr als zuvor nach nassem Fell.
    »Enzio«, erwiderte Manfred, »sei versichert, dass niemand über deine Genesung glücklicher ist als ich. Lass uns feiern, dass sich alles zum Guten gewendet hat.«
    Enzio warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Zum Guten? Du hattest schon immer einen eigenen Sinn für Humor, mein Lieber.« Das Lachen brach abrupt ab, und Enzio stürzte seinen Becher Wein mit einem einzigen Schluck hinunter. Wangen und Stirn zeigten bereits eine verdächtige Röte.
    »Enzio«, beschwichtigte Manfred, »ich weiß, dass dir in meinem Haus schreckliches Unrecht geschehen ist, das ich niemals wiedergutmachen kann. Aber du lebst. Das ist es, was zählt.«
    »Ich lebe.« Enzio knallte den Becher auf den Tisch und spuckte seine Verachtung heraus. »Nennst du das Leben? Ja? Stellst du dir das unter Leben vor?«
    »Enzio, hör doch …«
    »Lass mich ausreden, ich bin noch lange nicht fertig. Soll ich dir danken, dass du Wein und Wildschwein auffahren lässt und lächerliche Spielleute einlädst?« Enzios Stimme war lauter geworden und steigerte sich zu einem Schrei, dem wütenden Röhren eines Hirsches nicht unähnlich. »Schluss!«, brüllte er. »Schluss mit dem Gedudel.«
    Außer sich schleuderte er den Weinbecher in Richtung der Spielleute, traf eine der Lauten, und die Wucht des Bechers zertrümmerte das zarte Holz des Instruments. Die Musik verstummte auf der Stelle, die Musiker sahen sich erschrocken und betroffen nach Hilfe um, doch niemand rührte sich. Ritter und Diener schienen zu Stein erstarrt. Alle blickten gebannt auf den Grafen Lancia und den Mann, der jetzt Tribut für seine Unbeherrschtheit zollte und sich vor Schmerzen krümmte.
    Manfred versuchte seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Enzio, bitte, lass dir sagen …«
    Er brach ab, als er sah, dass Enzio von einem Hustenanfall geschüttelt wurde und ihm Wein aus dem rechten Mundwinkel lief. Er ging einen Schritt auf ihn zu, doch Enzio streckte mühsam einen Arm aus, um ihn abzuwehren.
    »Komm mir nicht zu nah«, keuchte er. »Siehst du jetzt, wie ich lebe? Hast du endlich verstanden? Ich bin ein Krüppel. Die Mörderhure, die du deine Schwester nennst, hat mich mit ihrer verdammten Schere zum Krüppel gemacht. Ich kann nicht reiten, nicht kämpfen, nicht mal eins von den Weibern aus deinem Haushalt habe ich gehabt. Das ist kein Leben«, brüllte Enzio. »Jedes Tier lebt besser als ich. Los, reite in den Wald und sieh nach.« Er brach in ein bitteres Gelächter aus. »Ein wilder Eber hat mehr vom Leben als der mächtige Enzio Pucci. Und schuld daran ist eine verfluchte Hure.«
    »Bianca ist …«
    »Schweig. Sprich diesen Namen vor mir nicht aus. Nie mehr.« Enzio beugte sich, so weit es seine Schmerzen zuließen, über den Tisch. »Ich werde sie finden. Ich werde sie nicht töten. Nicht sofort. Aber sie wird sich wünschen, sie wäre tot.«
    »Enzio, du redest von meiner Schwester. In meinem Haus.«
    »Falls du damit diese verrottete Burg meinst, so werde ich dafür sorgen, dass sie nicht mehr lange dir gehört.«
    Die Spielleute blickten betreten zu Boden und wünschten sich, möglichst schnell ihre Instrumente einpacken zu dürfen. Aber die Furcht vor einem weiteren Ausbruch des Grafen Pucci ließ sie wie gelähmt auf ihren Plätzen verharren. Auch die Ritter, die Manfred zu Enzios Abschied eingeladen hatte, blieben stumm.
    Manfred kannte Enzio gut genug, um zu wissen, dass er in solchen

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