Die Maetresse des Kaisers
begleitet haben, haben alle Kurs auf die Küste genommen. Wer also führt diesen Kreuzzug an?«
»Einer der Getreuen des Kaisers?« Lorenzo suchte nach einer Antwort. »Auf jeden Fall wird einer der Männer das Kommando übernommen haben.«
Bianca wunderte sich insgeheim über seine offensichtlich durch nichts zu erschütternde Zuversicht in die Klugheit anderer Männer. Ihr selbst war zwar beigebracht worden, dass Männer das von der Schöpfung bevorzugte Geschlecht seien, aber nach ihren eigenen Erfahrungen mit einigen dieser bärtigen Geschöpfe war sie sich da nicht mehr so sicher. Stark waren sie ja und ihr körperlich überlegen. Viele hatten sich ihr gegenüber höflich und ritterlich gezeigt, aber im Grunde ihres Wesens waren Männer unbeherrscht und hilflos ihren Launen und Gelüsten ausgeliefert.
Bianca war zu der Überzeugung gekommen, dass eine Frau sich lieber auf ihre eigene Wahrnehmung stützen sollte und nicht unbedingt auf die Meinung eines Mannes. Sie wusste, dass dies ein fast ketzerischer Gedanke war, und behielt ihn daher besser für sich. Lorenzo war zwar eine treue und gute Seele, aber letztlich – davon war sie überzeugt – würde er einer Frau doch immer weniger zutrauen als einem Mann. Selbst wenn es sich um eine Gräfin handelte. Oder, überlegte sie, vielleicht gerade, weil sie eine Gräfin war.
Wie war ihr Leben denn bisher verlaufen? Sicher, sie hatte viel von den Nonnen gelernt, aber das wirkliche Leben lernte sie doch jetzt erst kennen. Jede Bäuerin oder Weberin wusste mehr davon.
»Du glaubst also«, wandte sie sich wieder an Lorenzo, »dass alles so weitergeht, als wäre nichts geschehen? Als wäre der Kaiser noch am Leben und würde seine Kreuzritter wie ein Racheengel mit flammendem Schwert ins Heilige Land führen?«
»Ich weiß nicht. Warum fragt Ihr das alles?«
»Weil ich mich um uns sorge, mein lieber Lorenzo. Wer wird den Männern Mut machen, wenn sie in den Kampf ziehen? Erinnere dich an die Worte des Kaisers, die er auf dem großen Platz in Brindisi gesprochen hat. Die Männer hingen an seinen Lippen.«
»Aber was hat das mit uns zu tun?«
Bianca sah ihn eindringlich an. »Hast du schon einmal daran gedacht, dass unsere Ritter nicht siegreich durchs Heilige Land ziehen? Dass ihre christlichen Schwerter stumpf werden an den Damaszener Klingen der Sarazenen?«
Lorenzo starrte sie fassungslos an.
»Man sagt«, fuhr sie fort, »die Klinge eines Damaszener Schwertes zerschneidet ein Seidentuch in der Luft, so scharf ist sie.«
»Woher wisst Ihr das?«, flüsterte Lorenzo.
»Ich habe zwei Ritter belauscht«, gab Bianca unumwunden zu. »Sie hatten Angst, große Angst.«
»Vor den Heiden?«
»Es scheint, dass auch die Sarazenen kämpfen können. Der Sultan soll gleichfalls ein großes Heer haben. Ohne den Oberbefehl des Kaisers sind die Ritter verzagt und mutlos. Aber Lorenzo, was soll dann aus uns werden?«
Einen Moment lang war Lorenzo versucht, tröstend seine Hand auf Biancas Schulter zu legen. Doch dann besann er sich, dass diese Vertraulichkeit ihm nicht zustand. Zwar waren sie seit Wochen gemeinsam auf einer überaus gefährlichen Reise, hatten Überfälle und Angriffe auf ihr Leben abgewehrt, aber dennoch blieb er, was er war – der Falkner der Gräfin Lancia und nicht ihr Vertrauter.
»Gräfin, wir können nicht zurück, uns bleibt nur die Flucht nach vorn.«
»Schweig. Das Offensichtliche musst du mir nicht sagen.«
In solchen Momenten sprach aus Bianca die unnahbare Burgherrin. Und selbst im schmutzigen Pilgergewand, die Haare strähnig, die sonst blasse Haut von der Sonne gebräunt wie die einer Feldmagd, war sie stolz wie eine Königin.
Lorenzo fürchtete, sie verstimmt zu haben, und schwieg betroffen.
Bianca war für ihn die schönste Frau, die Gott geschaffen hatte. Er bewunderte sie, ein bisschen liebte er sie sogar, obwohl er eher freiwillig in den Tod gegangen wäre, als dieses Gefühl vor irgendjemandem auf der Welt zuzugeben. Ihre Nähe ließ ihn eine Mischung aus Furcht und Seligkeit erleben, die seine Seele in Aufruhr versetzte und alle seine Sinne schärfte. In seinem Inneren breitete sich jedes Mal, wenn Bianca an seiner Seite war, ein warmes Gefühl aus, ein Flimmern in seinen Eingeweiden, das ihm die Schamröte ins Gesicht trieb, sich aber dem Einfluss seines Willens vollkommen entzog.
»Verzeiht, Gräfin, meine Worte waren töricht.«
Bianca lächelte ihn auf ihre unnachahmliche Art an, und Lorenzo atmete erleichtert
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