Die Maetresse des Kaisers
aus.
»Ich habe nachgedacht«, sagte sie. »Schutzlose Pilger sind für die Sarazenen leichte Beute. Wir brauchen ein Schwert.«
Lorenzo schickte ein verzweifeltes Stoßgebet zum Himmel. Er war kein Meister des Schwerts und Bianca viel zu schwach und zart, um eine der schweren, unhandlichen Eisenwaffen zu führen.
»Aber wir haben kein Schwert«, wandte er ein. »Und ein Handwerker der Sarazenen wird uns wohl kaum eines schmieden.«
»Auch das habe ich bedacht. Wir werden ein Schwert stehlen.«
»Das ist unmöglich.«
»Ist es nicht.«
»Doch.«
»Nein!«
»Doch.«
»Wage es nicht, mir zu widersprechen!«
Lorenzo schaute betreten zu Boden, auf die Schiffsplanken, die sich im sanften Rhythmus der Wellen auf und ab bewegten. Mein Gott, was fiel ihm ein, seiner Herrin auf diese Art entgegenzutreten. Das war unverzeihlich. Andererseits wusste er, dass unüberlegtes Handeln in einem fremden Land, praktisch inmitten von Feinden, Gefangenschaft oder einen qualvollen Tod bedeuten konnte. Ein Schwert stehlen. Wie sollte das gelingen? Kein Ritter ließ sich sein Schwert nehmen, solange er am Leben war. Und einen Mann töten, um einen feigen Diebstahl zu begehen? Nein, dazu war er, Lorenzo, und erst recht nicht Bianca fähig.
»Gut denn«, lenkte Lorenzo ein. »Lasst uns einen Plan machen.«
»Ich habe bereits einen.«
In Lorenzos Augen las Bianca eine verwirrende Mischung aus Bewunderung, Ahnungslosigkeit und Besorgnis. Ach, Lorenzo, dachte sie, es gelingt dir nicht, deine Gefühle zu verbergen, auch wenn du dich noch so sehr bemühst. Sie wusste seine Angst um sie zu schätzen und respektierte seine heimliche Verliebtheit. Lorenzo hatte tausendmal mehr Ritterlichkeit im Leib als all die Männer von vornehmem Geblüt, die ihr auf der Burg der Lancias begegnet waren. Sie empfand eine tiefe Freundschaft für den Falkner, und dieses Gefühl würde bleiben, solange sie lebte.
»Und?«, hakte Lorenzo nach.
»Was meinst du?«
»Euer Plan.«
Bianca kam näher und lehnte sich an ihn, damit ihr Mund sein linkes Ohr erreichen konnte.
»Hier auf dem Schiff ist es zu gefährlich«, flüsterte sie kaum hörbar. »Wir warten, bis wir an Land sind. Dann schließen wir uns einer Gruppe von Rittern an. Wenn alle schlafen, nehmen wir uns eines der Schwerter.«
Lorenzo war enttäuscht. Angesichts Biancas Klugheit hatte er mehr erwartet.
»Verzeiht, Gräfin, das ist kein Plan.«
»Ah ja? Und warum nicht?«
»Die Ritter rechnen jederzeit mit Kämpfen und werden Wachen aufstellen. Wir werden gar nicht die Möglichkeit haben, einen von ihnen zu bestehlen.«
»Keine Sorge, sie werden fest schlafen.«
Lorenzo sah Bianca fragend an.
Aus dem Ärmel ihres Pilgergewands zog sie ein Fläschchen, das sie im Saum versteckt hatte.
»Was ist das?«
»Wonach sieht es aus?«
Lorenzo griff entsetzt nach dem Fläschchen. »Gräfin, das ist doch kein … Gift?«
»Mein guter, törichter Lorenzo, glaubst du, die Gräfin Lancia ist unter die Giftmischerinnen gegangen? Ein paar Tropfen hiervon, und die Ritter werden angenehme Träume haben, doch am nächsten Morgen auch wieder aufwachen.«
»Aber …«
»Still jetzt. Ich habe den Trank vom Schiffskoch, ein kenntnisreicher Mann, fast so klug wie deine Tante Giovanna«, wisperte Bianca.
Weit hinten am Horizont, undeutlich trotz der klaren Luft, war jetzt eine Küstenlinie zu erkennen. Das Land, das hinter ihr lag, war mehr zu ahnen, als zu sehen.
»Allmächtiger Gott«, entfuhr es Lorenzo, »ist das das Heilige Land?«
»Narr«, knurrte einer der Schiffsleute, der an einem der schweren Falle stand, mit denen die Segel geborgen wurden, und der Lorenzos ehrfürchtigen Ausruf gehört hatte. »Die Insel, die du dort siehst, nennt man Zypern.«
D ie Anlage war technisch perfekt, eine geniale Konstruktion aus der Zeit der Römer, deren Funktionsweise über die Jahrhunderte nicht im Geringsten gelitten hatte.
Durch einen mit prächtigen weißen Säulen verzierten Eingang kam man in eine geräumige Halle. Ihr heller Marmorboden war mit kunstvollen Mosaiken aus Lapislazuli geschmückt. Die Halle hatte einen runden Grundriss. In gleichmäßigen Abständen öffneten sich Gänge, in die man durch Säulen geschmückte Torbögen gelangte.
Die Gänge wiederum führten in immer neue Hallen, manche davon so voller Dampf, dass man kaum seine eigenen Füße sehen konnte.
In anderen Hallen befanden sich Becken, einige gefüllt mit heißem, andere mit kaltem Wasser. An den Seiten standen Liegen aus
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