Die Maetresse des Kaisers
Erleichterung hob und senkte sich die breite Brust des Ritters in regelmäßigen Zügen. Lorenzo nickte. »Gottlob, er schläft nur.«
Bianca knuffte ihm auffordernd in den Rücken, endlich das Zimmer zu betreten. Noch länger auf dem Gang vor den Zimmern im ersten Stock herumzuschleichen war sträflicher Leichtsinn. Mehrere Ritter hatten hier ein Zimmer genommen, in der Hoffnung auf Wein, Huren und ungestörten Schlaf. Sie lächelte bitter über die Triebhaftigkeit dieser Männer und fand es nicht mehr als gerecht, zumindest diesem einen Strich durch seine lasterhaften Pläne gemacht zu haben.
Behende schlichen sie in das Zimmer und sahen sich eilig um.
»Scheint ein jähzorniger Ritter zu sein«, flüsterte Lorenzo und deutete auf den zerstörten Tisch und den zerbrochenen Becher.
»Eher tolpatschig als zornig«, widersprach Bianca und rümpfte die Nase bei dem kräftigen Weingeruch. »Mein Gott, hier stinkt es, als hätte er den Inhalt eines ganzen Fasses vergossen«, schimpfte sie, während sie fieberhaft nach einem Münzbeutel zwischen den Habseligkeiten des englischen Ritters suchte. Mit fliegenden Fingern tastete sie sich durch einen speckigen Leinensack, fühlte Wollhosen und Hemden aus Seide, zog einen Umhang, der schon bessere Tage gesehen hatte, ans Licht, stopfte ihn aber gleich wieder zurück, als sie dunkle Flecken entdeckte, die nichts anderes als Blut sein konnten. »Ich finde nichts«, wisperte sie nervös.
»Irgendwo müssen die Münzen sein«, gab Lorenzo hastig zurück. »Sucht weiter.«
Bianca lief auf den Brustharnisch zu, der wie ein Torso von einer Ecke des Zimmers gestützt wurde, und sah nach, ob vielleicht innen in der Rüstung ein Geldbeutel versteckt war. Nichts.
Draußen auf dem Gang waren Schritte zu hören. Bianca erstarrte und blickte Lorenzo kreidebleich an.
»Schscht.« Lorenzo legte den Zeigefinger an die Lippen und blieb ebenfalls regungslos stehen.
Die Schritte wurden lauter, zwei Männer unterhielten sich, doch Bianca und Lorenzo konnten die Worte nicht verstehen – eine fremde Sprache.
Biancas Herz setzte einen Schlag lang aus. Wie war das möglich? Sie hatte den drei englischen Rittern in der Gaststube das Schlafmittel in den Wein geträufelt, den ihnen der Wirt kurz zuvor gebracht hatte. Lorenzo hatte an den Tischen um Brot gebettelt und die Engländer geschickt abgelenkt. Warum war nur der eine eingeschlafen und die anderen ganz offensichtlich nicht? Waren diese beiden zurückhaltender und tranken lediglich Wasser? Panisch suchte sie Lorenzos Blick.
»Was tun wir jetzt?«, formte ihr Mund lautlos.
Lorenzo sah sich hastig nach einem Versteck im Zimmer um.
»Robert?«, rief eine Stimme, und jemand schlug an die Tür.
Bianca hielt den Atem an.
Wieder waren Worte zu hören, ein grölendes Lachen, ein erneutes heftiges Klopfen – dann wurden die Stimmen leiser, die Männer waren weitergegangen.
»Schnell«, flüsterte Lorenzo. »Macht schnell. Sie können jederzeit wiederkommen.«
Bianca wusste nicht, wo sie noch suchen sollte, als ihr Blick auf den Strohsack an der schmalen Seite des Zimmers fiel. Die Bettstatt. Hatte der Ritter seine kostbarsten Besitztümer unter dem Sack versteckt?
Auf Zehenspitzen lief sie durch das Zimmer und ergriff den Strohsack mit beiden Händen. Ungeziefer krabbelte unter dem Sack hervor und floh über ihre Füße in eine sichere Ecke der Kammer. Bianca keuchte entsetzt, ein Ekelschauer überlief sie, doch im selben Moment fiel ihr Blick auf ein Schwert und einen kleinen Beutel auf dem Boden.
»Lorenzo, zu mir. Ich habe gefunden, was wir suchen.«
»Dem Himmel sei Dank«, flüsterte dieser, ergriff das Schwert und versteckte den Beutel unter seinem Pilgergewand. »Schnell hier raus.«
Bianca ließ angewidert den Strohsack fallen, zog die Kapuze ihres Leinenumhangs wieder über den Kopf, um ihr Haar zu verbergen, und lief zusammen mit Lorenzo zur Tür.
Lorenzo ergriff die Klinke, riss die schäbige Holztür auf – und prallte direkt gegen die breite Brust eines der beiden englischen Ritter.
E s war bereits spät am Abend, und in den meisten Zimmern des Lateranpalastes in Rom waren die Kerzen und Fackeln erloschen. In der päpstlichen Schreibstube wurde noch gearbeitet, allerdings wurde hier ohnehin rund um die Uhr der Dienst für den Heiligen Vater versehen.
Es waren Mönche, hochgebildete Männer, die tagaus, tagein die Korrespondenz des Papstes erledigten sowie mit Abschriften und Übersetzungen philosophischer und
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