Die Maetresse des Kaisers
religiöser Werke beschäftigt waren. Für die Schreiber und Buchmaler, die ihre minutiöse und künstlerische Arbeit gewissenhaft ausführten, war die Berufung in die Schreibstube des Papstes eine Art Ritterschlag, die höchste Auszeichnung, die sie je erlangen konnten. Keine Mühe war ihnen daher zu viel, sie schrieben, bis ihre Finger im Krampf den Dienst versagten oder ihre Augen in dem flackernden Licht der Kerzen und Fackeln trüb wurden.
Trotz der späten Stunde war jedes Schreibpult besetzt, mischten die Buchmaler ihre Farben, um eine der wundervollen Miniaturen zu beginnen, die aus einem einfachen Buchstaben ein unvergleichliches Kunstwerk machten.
Ein großes Arbeitspensum war nichts Neues für die Mönche der Schreibstube, doch an diesem Abend war die Stimmung angespannter als gewöhnlich. Papst Gregor hatte einen umfangreichen Bericht an alle Bischöfe der christlichen Kirche verfasst und befohlen, diesen auf der Stelle und noch in dieser Nacht zu vervielfältigen. Für die einzelnen Schreiber bedeutete dies mehrere Abschriften des Berichts, und sie mühten sich nach Kräften, der Stimme des Vorlesers zu folgen und die Worte des Papstes in entsprechend akkurate Lettern zu kleiden.
Jedem einzelnen Schreiber war es streng untersagt, über das Gehörte auch nur ein einziges Wort zu verlieren, und selbstverständlich sprachen die Mönche untereinander niemals über die Gedanken des Heiligen Vaters, die sie in vielen Wiederholungen und immer neuen Fassungen niederschrieben.
So erfuhren sie in dieser Nacht als Erste und lange vor den eigentlichen Adressaten, dass Papst Gregor den Kaiser beschuldigte, der ganzen Christenheit unermesslichen Schaden zugefügt zu haben. Er habe nicht nur sein Versprechen, die Ritter ins Heilige Land zu führen, gebrochen, sondern auch durch seine unverantwortlich nachlässige Planung der Kreuzzugsvorbereitung den Tod von vielen Menschen in Kauf genommen. Dass er dann auch noch leichtfertig und feige lieber zurück nach Neapel gesegelt sei, statt sich der Kreuzfahrerflotte anzuschließen, brandmarkte Papst Gregor aufs schärfste. Der Kaiser, so argumentierte der Heilige Vater spitzfindig, habe zum einen seinen Schwur gebrochen, den er der Kirche und der gesamten Christenheit geleistet hatte, und sich außerdem als im schlimmsten Sinne undankbar erwiesen. Denn niemand anders als die Kirche habe Friedrich als Kind unter ihre Fittiche genommen und für seine Erziehung gesorgt.
Durch die Reihen der Schreiber ging ein erschrockenes Raunen, als der Vorleser weiterdiktierte. Der Kaiser, so schrieb Papst Gregor, habe Schande über die Christenheit gebracht, indem er immer wieder der Kirche den Kreuzzug versprochen, doch stets eine Ausrede gefunden habe, um ihn nicht anzutreten. Alles in allem unverzeihliche Vergehen, die dem Heiligen Vater keinen anderen Ausweg ließen, als Kaiser Friedrich aus der Gemeinschaft der Christenheit auszustoßen und ihn als der Exkommunikation verfallen zu erklären.
Als Adressaten hatte Papst Gregor alle Bischöfe der christlichen Kirche angegeben, so dass jeder von ihnen über die Schuld und die Bestrafung des Kaisers unterrichtet war. Da Friedrich nun der christlichen Gemeinschaft nicht mehr angehöre, sei ihm auch jeder Versuch, den Kreuzzug doch noch zu Ende zu bringen, verboten.
Über den Dächern von Rom graute der Morgen, als endlich alle Schreiben verfasst, versiegelt und adressiert waren. Die Mönche gähnten verhalten und erhoben sich steifgliedrig, als die Glocke zur Morgenandacht rief. Der machtpolitischen Bedeutung dieser Nacht waren sie sich wohl bewusst, auch wenn sich jeder Einzelne von ihnen nur als kleiner und höchst bescheidener Diener des Herrn verstand. Papst Gregors Brief, den sie mit eigener Hand geschrieben hatten, konnte sehr wohl die Welt aus den Angeln heben. Dieses Wissen erfüllte sie mit Ehrfurcht, aber auch mit dem Gefühl von Unsicherheit und nervöser Spannung.
Der Kaiser hatte in der Vergangenheit des Öfteren bewiesen, dass er vor dem Heiligen Vater nicht nur demütig das Haupt neigte. So sammelten sie sich in der Basilika des Laterans und knieten nieder in ihrem Chorgestühl, um zu beten. Und manch einer von ihnen flehte Gott an, die Welt vor dem Zorn des Kaisers zu verschonen.
D urch die Wucht des Aufpralls kam Lorenzo ins Straucheln, und dieser winzige Augenblick der Unsicherheit reichte dem Engländer, ihm einen gezielten Faustschlag aufs Kinn zu versetzen. Lorenzo stürzte wie ein gefällter Baum und blieb
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