Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
Vom Netzwerk:
Verfolgern verschafft, sondern ihr auch die dringend benötigte Ruhe gegeben, um über ihr weiteres Leben nachzudenken. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, endeten ihre Pläne mit dem Diebstahl eines Schwerts. Aber was dann? Bewaffnet hatten sie wenigstens eine winzige Chance, um die nächsten Tage, vielleicht sogar die nächsten Wochen zu überleben. Und danach?
    Bianca war zwar glücklich, dass sie und Lorenzo es in ihren Pilgergewändern bis nach Zypern geschafft hatten, aber keineswegs gewillt, ihr restliches Leben als Pilger oder, schlimmer noch, als Mann zu verbringen. Sie sehnte sich danach, endlich wieder Bianca – und vor allem eine Frau – zu sein.
    Sie brauchte Schutz, denn die atemberaubende Flucht hatte ihre Kräfte aufgezehrt. Ja, Lorenzo war ein treuer Kamerad, und bislang hatten sie sich mehr oder weniger erfolgreich durchgeschlagen, aber Bianca war müde und träumte von einem Ort, an dem sie sich rundum sicher und geborgen fühlen konnte.
    Das Bild des Kaisers auf seinem mächtigen Streitross erschien einen Moment lang vor ihrem inneren Auge, und sie blinzelte, um diese Phantasie aus ihrem Kopf zu jagen. Es tat ihr nicht gut, an den Kaiser zu denken. Traurigkeit überfiel sie, sobald sie ihren Gedanken erlaubte, zurück nach Brindisi zu schweifen. Das Gerücht über seinen Tod hatte ihre Selbstsicherheit und ihren Glauben an eine Zukunft, in der sich alles zum Guten wenden würde, erschüttert. Ihre Schwärmerei für Friedrich, denn mehr war es nicht, was sie empfand, hatte ihr dennoch ein bisschen Trost gegeben. Sie selbst verglich das warme Gefühl, das sie beim Anblick des strahlenden Kaisers gespürt hatte, mit einem kleinen Lichtschein in tiefer Dunkelheit. Aber nun war auch dieser erloschen.
    Sie wandte ihren Blick wieder der Insel zu, die vor ihnen lag und deren Konturen und Details jetzt immer deutlicher erkennbar wurden.
    Sei nicht töricht, schalt sie sich im Stillen, und weine nicht über Möglichkeiten, die gar keine sind. Was kümmert dich der Kaiser? Ist er wirklich an der Seuche gestorben, so war es sein Schicksal und Gottes Wille. Lebt er noch, kann er dir auch nicht helfen. Es lag nicht in der Hand eines einzigen Mannes, sie zu schützen. Das Weinen, das sich als ein Kloß in ihrem Hals festgesetzt hatte, schluckte sie trotzig hinunter. Sie würde sich selbst helfen. Sie würde einfach weitergehen, und wenn es sein musste, würde sie laufen und rennen. Immer weiter, bis ihr Gefühl ihr sagte, dass sie in Sicherheit war.
    Und wenn das nicht geschehen sollte, wenn sie keinen geschützten Ort fand? Dann, sagte sie sich, würde sie sogar diesen endlosen Weg ohne Ziel erkunden. Wenn dies ihre Bestimmung war, würde sie sich ihrem Schicksal stellen und über diese Erde wandern, von Ort zu Ort, heimatlos und in ständiger Sorge, entdeckt zu werden. Nur eins würde sie nicht tun – sie würde sich nicht ergeben. Niemals.
    Bianca drehte sich abrupt um, denn sie glaubte einen stechenden Blick in ihrem Rücken gefühlt zu haben. Aber da war niemand, nur die Schiffsleute, die sich mit den schweren Leinen, mit denen die Clara später am Kai in Famagusta festgemacht werden sollte, abmühten.
    An Bord herrschte gelöste Heiterkeit. Die Seemänner freuten sich auf ihren Landgang und die Huren im Hafen, die Pilger dankten Gott, dass er sie sicher über das Meer gebracht hatte, und die Ritter wünschten sich und ihren Pferden endlich wieder festen Boden unter Füßen und Hufen.
    Bianca freute sich vor allem auf ein Bad. Sie wusste zwar noch nicht, wie sie diesen Luxus bezahlen sollte, aber da sie ohnehin notgedrungen zur Diebin werden musste, konnte sie vielleicht mitsamt dem Schwert auch ein paar Münzen stehlen. Vorausgesetzt, die Ritter waren nicht inzwischen ebenso arm wie sie und Lorenzo und hofften selbst auf einen Beutezug.
    Famagusta lag auf der Ostseite Zyperns, direkt gegenüber der syrischen Küste. Bei diesem Gedanken war ihr nicht ganz wohl, denn in Syrien herrschte der Sultan an-Nasir Dawud, ein gnadenloser Verfolger der christlichen Kreuzfahrer. Zwei der Ritter an Bord der Clara hatten bereits vor Jahren im Heiligen Land gekämpft und die Nachkommen des großen Sultans Saladin fürchten gelernt, den Sultan al-Kamil in Ägypten und den Sultan al-Mu’azzam in Damaskus.
    Nach dessen Tod hatte an-Nasir Dawud die Regentschaft übernommen und an der Tradition seiner Vorfahren festgehalten. Ritter, die in Gefangenschaft gerieten, wurden entweder auf grausame Art hingerichtet oder als

Weitere Kostenlose Bücher