Die Maetresse des Kaisers
ihrem Los als Sklavin der Odalisken abzufinden, noch ihre Sehnsucht nach ihrem früheren Leben zu begraben.
Am Anfang, als einer der Späher des Sultans sie bei den Sklavenhändlern in Damiette entdeckte und, hauptsächlich wegen ihres blonden Haares, vom ersten Moment an fasziniert war, hatte die Angst um ihr Leben alle ihre Empfindungen zugeschüttet. Sie war blind gewesen für die Schönheit des Palastes und die Pracht der Gärten. Die fremde Kultur der Muslime war ihr unheimlich, und sie hatte sich vor allem Neuen, das ihr hier begegnete, verschlossen.
Der Weg nach innen schien ihr der sicherste Schutz in dieser Welt, deren Sprache sie nicht verstand und deren Sitten und Bräuche sie abstießen. Ein Mann, der Frauen zu Sklavinnen macht, konnte kein guter, gottesfürchtiger Mensch sein, befand Bianca. Auch die Frauen, die sie täglich zu bedienen hatte, schienen ihr schöne, aber gedankenlose Geschöpfe, die die Tatsache, dass sie ihren goldenen Käfig nicht verlassen durften, offenbar nicht störte.
Wer ungehorsam war, wurde gnadenlos bestraft. Sie hatte in Damiette die Hinrichtung einer Frau mit ansehen müssen, und die Schreie der Gesteinigten hatten lange in ihren Ohren gehallt. Am grausamsten aber erschien ihr das Schicksal der Verschnittenen, die die Frauen im Harem bewachten. Männer, deren Körper stark, aber plump waren und denen man mit einer irreparablen Operation für alle Zeiten die Fähigkeit zur körperlichen Liebe genommen hatte.
Biancas erste Tage im Harem des Sultans von Ägypten waren voller Verzweiflung gewesen, und sie hatte Gott angefleht, sie sterben zu lassen. Doch da ihr kein Leid geschah und die Frauen, die sie badeten und nach ägyptischer Sitte kleideten und frisierten, freundlich und nachsichtig mit ihr umgingen, ließ ihre innere Spannung nach. Außer den Verschnittenen war sie noch keinem männlichen Wesen begegnet, und das Leben im Kreise der Frauen bedeutete für Bianca von Tag zu Tag ein Stück mehr Normalität.
Sie vermisste Lorenzo und hoffte, dass sein Schicksal gleich dem ihren erträglich war. Was mit den männlichen Sklaven in Damiette geschehen war, wusste sie nicht, aber sollte er tatsächlich wie andere, von denen die Ritter an Bord der Clara erzählt hatten, auf einer der großen Baustellen des Sultans als Arbeiter eingesetzt worden sein, so vertraute sie auf seine Stärke und auf seinen Mut, dieses Martyrium zu überstehen.
Nach ihrer Ankunft im Palast des Sultans war sie gebadet worden, ihr langes Haar wurde gewaschen, geölt und nochmals gewaschen, bis jedes Schmutzteilchen auf ihrer Kopfhaut entfernt, jede verfilzte Haarsträhne entwirrt war. Der Genuss des nach Rosen duftenden Badewassers hatte für eine kurze Zeit sogar ihre Zukunftsängste vertrieben und ihre verspannten Muskeln endlich gelockert.
Ihr Haar fiel wieder in weichen Wellen bis zu ihrer Hüfte, Seife und Öl hatten es zum Glänzen gebracht, dass es schimmerte wie flüssiges Gold. Sie war die einzige blonde Frau im Harem, eine Sklavin stammte aus Burgund und hatte rötliches Haar, alle anderen waren dunkel- oder sogar schwarzhaarig. Vermutlich war dies der Grund, warum ihr Haar immer wieder von einigen der Frauen, aber auch von den Eunuchen heimlich berührt wurde. Zunächst hatte es sie irritiert und verstört, doch inzwischen hatte sie sich wohl oder übel daran gewöhnt. Und außerdem lag es sowieso nicht in ihrer Macht, etwas daran zu ändern. Also ließ sie es stumm über sich ergehen, dass wildfremde Menschen eine ihrer Haarsträhnen in die Hand nahmen und Worte murmelten, die ihr vollkommen unverständlich waren.
Die Sprache der Ägypter klang in Biancas Ohren wie ein schneller Singsang mit heiseren, kehligen Lauten. Auch nach Wochen war es ihr nicht gelungen, Satzfetzen zu erlernen, und die Unfähigkeit, mit den anderen Frauen zu sprechen, verstärkte ihre Einsamkeit. Nicht einmal mit der Sklavin aus Burgund konnte sie sich unterhalten, denn die Nonnen zu Hause hatten sie kein Französisch gelehrt.
So blieb ihr nur die Zeichensprache, um nicht völlig isoliert zu sein, und es war daher nicht weiter verwunderlich, dass sie sich mehr und mehr in sich zurückzog und am liebsten mit sich allein war.
Da ihr tagsüber keine Zeit zur Muße blieb, genoss sie die nächtlichen Spaziergänge im Garten umso mehr. Die Eunuchen, die den inneren Bereich des Harems bewachten, kannten ihre Vorliebe für einsame Betrachtungen des Sternenhimmels bereits und hinderten sie nicht daran, an den Blumen zu
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