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Die Maetresse des Kaisers

Die Maetresse des Kaisers

Titel: Die Maetresse des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Stein
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nicht. Er hätte auch so gehandelt. Der wäre dumm, der diese Chance nicht ergreifen würde, dachte er und fand es nur gerecht, dass Enzio für die Mühen, die sie bei der Verfolgung seiner mörderischen Braut auf sich nahmen, auch angemessen zahlen sollte.
    Sein Magen gewährte ihm eine kurze Erholungspause, und Heinrich warf einen hasserfüllten Blick auf die Schaumkronen, die auf den Wellen tanzten. Noch sah man am Himmel kleine Stücke des strahlenden Blaus, doch immer öfter verschwand die Sonne hinter dunklen, seltsam geformten Wolken. Der Wind war frischer geworden, seit er hier an Deck stand und jeden einzelnen Bissen seines Essens wieder von sich gegeben hatte. Das Schiff hatte deutlich an Fahrt aufgenommen, der Rumpf knarrte und ächzte in den Wellen, und Heinrich fühlte neben der Übelkeit etwas anderes in seinem Inneren wachsen – Angst.
    Die ersten Wellen spritzten über die Reling, als der Kapitän allen Händlern und Passagieren den Aufenthalt an Deck verbot. Einer der Matrosen, ein bärtiger Riese mit nacktem Oberkörper, näherte sich Heinrich von Passau.
    »Runter. Es kommt Wind.«
    Allein die Vorstellung, mit anderen in der stickigen Luft unter Deck zu sitzen, entsetzte den deutschen Baron. Dort würde er ganz die Orientierung verlieren und hilflos den Schiffsbewegungen ausgeliefert sein. Und Hilflosigkeit gehörte zu den Gefühlen, die Heinrich von Passau hasste wie der Teufel das Weihwasser. Er warf dem Seemann einen giftigen Blick zu, rührte sich aber nicht.
    »He, unter Deck. Zu gefährlich hier oben.«
    »Verschwinde.«
    »Befehl vom Kapitän, runter.«
    »Ich kann nicht. Mir ist schlecht.«
    »Macht nichts. Nach unten.«
    Immer höher spritzte das Wasser, und in den Wellentälern legte sich das Schiff bedenklich auf die Seite.
    »Gott im Himmel, lass uns nicht kentern«, betete Heinrich, der sonst den Namen des Herrn nur selten anrief.
    Der Seemann packte ihn und zerrte ihn mit sich. »Besser kotzen als ertrinken.« Und mit diesen Worten schubste er ihn die schmale Stiege hinunter, die zu der großen Kabine führte, in der gegessen und geschlafen wurde.
    Die Venezianer, Seefahrer durch und durch, saßen scherzend und trinkend auf den festgenagelten Bänken. Sie fuhren diese Route häufig genug, um zu wissen, dass in den Herbst- und Wintermonaten das Wetter plötzlich umschlagen konnte und sich aus einer sanften Brise in kurzer Zeit ein kräftiger Wind oder sogar ein heulender Sturm entwickelte. Dennoch war keiner von ihnen jemals in Seenot geraten. Sie hatten das Meer lieben und fürchten gelernt. Es konnte zärtlich sein wie eine Frau und mörderischer als ein ganzes Heer kampfbereiter Ritter. An manchen Tagen war es von unvergleichlicher Schönheit, an anderen stimmte es einen traurig. Es ernährte die Tapferen, und es tötete die Leichtsinnigen.
    Heinrich von Passau hörte halbherzig den abenteuerlichen Erzählungen der Kaufleute zu, ohne dass sie ihn zuversichtlicher stimmten. Der Mann in Schwarz setzte sich an seine Seite und sah ihn aufmerksam an.
    »Ihr seid sehr bleich.«
    »Ich sterbe«, flüsterte Heinrich von Passau.
    »Unsinn. Ihr seid seekrank, doch davon stirbt man nicht.«
    »Es wäre mir aber lieber.«
    »Das sagen alle.«
    »Noch eine Nacht auf dieser schwimmenden Leichenkiste, und ich bin tot.«
    Der Mann in Schwarz lachte. »Keine Sorge. Wir werden alle in Limassol lebend von Bord gehen.«
    »Aber …«
    Ein weiterer Würgeanfall unterbrach Heinrich. Er spuckte, hustete und schnappte verzweifelt nach Luft. »Ich ersticke«, keuchte er.
    Sein Begleiter reichte ihm zwei kleine Kugeln.
    »Was ist das?«
    »Das Ende Eures Leids.«
    Heinrich nahm die beiden Kügelchen aus weichen Wollfäden.
    »Und jetzt?«
    »Jetzt steckt Ihr in jedes Ohr eine Kugel.«
    »Ist das Hexerei oder was?«
    »Keine Magie, sondern alte Seemannsweisheit.«
    »Das hilft doch nicht.«
    »Bei mir schon«, sagte der Mann in Schwarz und zog vorsichtig eine Fadenkugel aus dem rechten Ohr. »Auf jeden Fall schadet es nicht. Probiert es aus.«
    »In Gottes Namen«, murmelte Heinrich und drückte die Kügelchen in seine Ohren.
    Als unmittelbaren Effekt vernahm er die Stimmen der Venezianer und das Heulen des Windes nur noch gedämpft, als kämen sie aus weiter Ferne. Tief in seinem Inneren meinte er ein leises Rauschen zu hören, dessen Herkunft er sich nicht erklären konnte. Übel war ihm zwar immer noch, aber das Rauschen hatte eine beruhigende Wirkung. Er entspannte sich ein bisschen.
    Der Mann in

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