Die Maetresse des Kaisers
Schwarz bedeutete ihm, sich auf den Boden zu setzen, die Augen zu schließen und sich den Bewegungen des Schiffes hinzugeben, statt sich ihnen entgegenzustemmen. Heinrich, inzwischen am Ende seiner Kraft, befolgte den Rat und spürte, wie Müdigkeit von ihm Besitz ergriff. Langsam döste er ein.
Im Traum wiegte ihn eine Frau in den Armen und flüsterte ihm Worte zu, die er nicht verstehen konnte. Sie hatte verführerische Arme und Schultern, so weiß wie Elfenbein, und ihr Haar war lang und schwarz. Es hing ihr bis auf den nackten Rücken, doch als er ihr über den Kopf strich, spürte er, dass ihre Strähnen feucht waren. Er küsste ihre Lippen, und sie schmeckten nach Salz. Die Frau lächelte ihn an, sagte etwas zu ihm, zog ihn zu sich und hielt ihn fest, dass ihm das Atmen schwerfiel. Furcht überkam ihn, und er wollte sich befreien, doch sie zog ihn mit sich ins Meer, immer tiefer und tiefer in die blaue Unendlichkeit. Und die ganze Zeit sah sie ihm direkt in die Augen.
Heinrich von Passau erwachte mit einem entsetzten Keuchen. Der Traum wollte ihn einen Moment lang nicht loslassen, und er wunderte sich, dass er nicht im Wasser lag, sondern offensichtlich auf den Holzplanken eingeschlafen war. Die Venezianer hatten sich bereits erhoben und machten sich zum Aufbruch bereit. Der Mann in Schwarz stand unmittelbar neben ihm und betrachtete ihn prüfend.
»Wir sind da«, sagte er und half dem erschöpften Deutschen auf die Beine.
»Wo?«, fragte Heinrich verwirrt.
»Im Hafen. Spürt Ihr nicht, dass das Schiff ganz ruhig liegt?«
»In welchem Hafen?«
»In Limassol, wie geplant.«
Heinrich atmete auf und war sichtlich um Haltung bemüht.
»Und der Sturm?«
»Den habt Ihr verschlafen, selig wie ein Kind.«
Heinrich erinnerte sich an die Stoffkugeln und entfernte sie, erleichtert, seine Umgebung wieder in gewohnter Lautstärke wahrzunehmen.
»Wie fühlt Ihr Euch?«
»Besser.«
»Gut«, sagte der Mann in Schwarz. »Dann lasst uns von Bord gehen. Ich habe Hunger.«
Heinrich schluckte bei dem Gedanken, irgendetwas in seinen Magen zu lassen, spürte aber dennoch großen Durst. Sein Hals war wie ausgedörrt, und beim Aufstehen war ihm flau geworden. Außerdem wollte auch er das Schiff so schnell wie möglich verlassen.
Selbst das schäbigste Gasthaus schien ihm einladender als die düstere Kabine, in der er den letzten Teil der Überfahrt nach Zypern verbracht hatte. Mit weichen Knien balancierte er über den Holzsteg zum Kai, an dem die Kogge festgemacht hatte.
»Geben wir auf?«, fragte ihn der Mann in Schwarz.
»Nein.« Heinrich von Passau schüttelte den Kopf. »Niemals.«
D ie Nacht war lau und die Luft schmeichelnd wie Seide. Über ihr wölbte sich ein perfekter Sternenhimmel. Je länger sie ihn betrachtete, desto deutlicher erkannte sie, dass manche Sterne Linien bildeten, andere Formen und Figuren ergaben. Die Wissenschaft der Astronomie hatte sie immer fasziniert, aber sie wusste zu wenig von den Sternen, ihrer Bahn und ihrer Bestimmung, und so blieb ihr nur die Bewunderung des unermesslichen Reichtums der göttlichen Schöpfung.
Wenn sie sich nicht täuschte, war heute Weihnachten. Gar nicht weit von hier, in Bethlehem, war der Heiland geboren worden, und ein Stern hatte den drei Weisen den Weg gezeigt. Unwillkürlich suchte Bianca nach ihm, konnte aber keinen Himmelskörper entdecken, der auch nur entfernt dem Weihnachtsstern glich. In ihrer Heimat war es jetzt kalt, vielleicht lag bereits Schnee. Doch hier in Ägypten spürte man den Winter kaum, die Luft war frischer, aber nicht kühl.
Sie lehnte mit dem Rücken an einem kniehohen Geländer, das ein Blumenbeet von einer Rasenfläche trennte, und streckte die Beine lässig von sich. An den Türkensitz, den die anderen Frauen bevorzugten, konnte sie sich nicht gewöhnen. Es war ihr unangenehm, ihre Beine auf diese Weise zu verschränken, und außerdem taten ihr nach einer Weile die Knie weh.
Nachts, wenn die anderen schliefen, schlich sie oft in den Garten, dorthin, wo die Rosen blühten, und ließ ihre Gedanken auf Reisen gehen. Zurück über das Meer, vorbei an der Insel Zypern, über Brindisi und Turin nach Piemont. Es war die einzige Freiheit, die ihr geblieben war, denn den Sklavinnen im Harem des Sultans von Ägypten war ein eigener Wille streng untersagt.
Die Tage und Wochen waren ereignislos dahingegangen, und auch wenn es schlimmere Schicksale gab als den Alltag in ihrem luxuriösen Gefängnis, so war Bianca weder bereit, sich mit
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