Die Maetresse des Kaisers
Heinrich, so mutmaßte er, brauchte Männer in seiner Umgebung, die nicht in den Diensten des Kaisers standen und deshalb unverdächtig waren, jeden Fehler, den der junge König machte, unverzüglich an Friedrich zu melden. Und er brauchte Männer, die zwar erfahren, aber noch nicht so abgeklärt waren, dass sie jede ungewöhnliche Idee schon im Ansatz ablehnten.
In Straßburg hatte sich Manfred bereits kundig gemacht. Bei dem Burgvogt von Haguenau handelte es sich um einen Mann namens Wolfelin, der aus einfachen bäuerlichen Verhältnissen stammte, aber wegen seiner Klugheit von Friedrich hoch geschätzt wurde und mit immer weiteren Aufgaben betraut worden war. Sein steiler Aufstieg hatte mit dem Amt des Kellermeisters von Haguenau begonnen und ihn schließlich zu einem mächtigen Burgvogt gemacht, der es aufs beste verstand, die Interessen des abwesenden Kaisers, vor allem gegen den Bischof von Straßburg, zu vertreten.
Wolfelin befehligte ein ganzes Heer von Verwaltungsbeamten, die Zölle und Steuern kontrollierten und einnahmen, Rechte verliehen und zu Gericht saßen. Es war Wolfelin zu verdanken, dass die Städte in der Umgebung von Haguenau mit der Zeit größer und mächtiger wurden, denn er warb im ganzen Land um neue Einwohner und Bauern.
In Straßburg hatte man mit Ehrfurcht über die Leistungen des Burgvogts gesprochen, obwohl er gerade in dieser Stadt nicht gern gesehen wurde. Denn nur dem listigen Wolfelin hatte einer der benachbarten Städte, Schlettstadt, ihr Münzrecht zu verdanken, was die Stadtherren des wesentlich bedeutenderen Straßburg mehr als verbitterte.
Manfred hatte, um nicht unangemeldet in Haguenau zu erscheinen, Wolfelin eine Nachricht zukommen lassen, mit der Bitte um eine persönliche Unterredung. Und er war sich sicher, dass ihm diese gewährt werden würde.
Von der Festung Haguenau wusste er lediglich, dass sie groß und über eine Brücke zu erreichen war, vorausgesetzt, man wollte sich der Burg nicht in einem Boot oder gar schwimmend nähern. Nichts hatte ihn deshalb auf den Anblick vorbereitet, der ihn erwartete, als er zum ersten Mal ungehinderte Sicht auf Stadt und Festung hatte.
Er hatte in seinem Leben einige Burganlagen gesehen, aber noch niemals eine, die militärischen wie auch ästhetischen Ansprüchen gleichermaßen genügte. Je näher er Haguenau kam, umso dichter wurde der Verkehr aus Pferdewagen, Reitern und Fußgängern. Zahlreiche Händler strömten mit ihren Waren in die Stadt, und auf den Feldern bestellten die Bauern das Land, pflügten und bereiteten die Erde für frisches Saatgut vor.
Manfred ritt in die Stadt und direkt auf den Königspalast zu, als Fanfaren und laute Rufe ertönten, den Weg für die Eskorte des Königs freizuhalten. Zusammen mit anderen wich er zurück bis an die Hauswände und sah etwa vierzig Ritter in schnellem Trab durch die Stadt reiten. Den König selbst konnte er nicht entdecken, aber er vermutete ihn unmittelbar hinter der Spitze der Eskorte. Er runzelte die Stirn, denn bei diesem Tempo konnte leicht einer der Fußgänger verletzt werden. Manfred fragte sich, was wohl der Grund dieser Eile gewesen war oder ob der junge König tatsächlich zu der Rüpelhaftigkeit neigte, die man ihm bisweilen nachsagte. Er wartete, bis sich Lärm und Aufregung wieder gelegt hatten, bevor er denselben Weg wie die Ritter einschlug.
Manfred erreichte den äußeren Hof des Palastes ohne weitere Verzögerung und ritt auf das Tor zu, das die abgesperrten Bereiche der Burg verschloss. Zwei Wachen kreuzten ihre Speere und zwangen ihn, sein Pferd zu zügeln.
»Wer seid Ihr, und wohin wollt Ihr?«
»Graf Manfred Lancia aus dem Piemont. Burgvogt Wolfelin erwartet mich.«
Die Speere blieben gekreuzt, doch eine der Wachen rief einen Diener zu sich, der mit der Botschaft von Manfreds Ankunft in den Palast eilte. Manfred verkürzte sich die Wartezeit, indem er seine Umgebung neugierig betrachtete. Durch das Tor, das die Wachen versperrten, konnte er in einen großen Hof sehen, in dem Pferde versorgt wurden. Zahlreiche Stallburschen striegelten das Fell der an hüfthohen Balken angebundenen Tiere. Die Hufe wurden überprüft und ausgekratzt, die Mähnen sorgfältig gekämmt. Das Stroh war sauber und frisch, der Hof gut gefegt.
Manfred stellte anerkennend fest, dass die Teile der Pfalz, die er bis jetzt gesehen hatte, einen außerordentlich guten Eindruck machten. Es roch förmlich nach Reichtum und Wohlbefinden. Und was für die Pferde galt, das vermutete
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