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Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA

Titel: Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Attilio Bolzoni
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wurde von beiden Seiten gnadenlos vereinnahmt. Viele vergaßen, was er über den Wandel der Mafia von einer ländlich zu einer städtisch geprägten Organisation und insbesondere über ihre Ausbreitung in ganz Italien geschrieben hatte. Bereits 1979 hatte Sciascia in einem in Buchform erschienenen Interview mit der französischen Journalistin Marcelle Padovani,
La Sicilia come Metafora
(»Sizilien als Metapher«), von der »Palmengrenze« gesprochen, »die fünfzig Meter im Jahr vom Süden in den Norden hinaufwandert«. Diese »Palmengrenze« stand für die Infizierung Italiens durchein ganz bestimmtes Sizilien, für die Infizierung durch die Mafia, für die »Sizilianisierung Italiens«.
    Sciascias Artikel über die »Professionisti dell’Antimafia« entwertete in den Augen seiner Gegner alles, was er jemals über Sizilien geschrieben und mitgeteilt hatte. Man stellte sein zivilgesellschaftliches Engagement in Frage, überprüfte akribisch jede Zeile seines Romans
Il giorno della civetta
(1961. Dt. 1964:
Der Tag der Eule
) und warf ihm eine unpolitische Haltung, Indifferenz, die Stilisierung des Mafioso zum Mythos und einen abgrundtiefen Zynismus vor.
     
    »Ich«, fuhr Don Mariano dann fort, »besitze eine gewisse Welterfahrung. Und was wir die Menschheit nennen – und wir nehmen den Mund gewaltig voll mit diesem schönen, hochtrabenden Wort Menschheit –, teile ich in fünf Kategorien ein: die Menschen, die Halbmenschen, die Menschlein, die (mit Verlaub gesagt) Arschkriecher und die Blablas […]. Ganz selten sind die Menschen, selten auch die Halbmenschen. Und ich wär’s zufrieden, wenn die Menschheit bei den Halbmenschen aufhörte […]. Aber nein, sie steigt noch tiefer hinab zu den Menschlein. Die sind wie die Kinder, die sich erwachsen vorkommen, Affen, die die gleichen Bewegungen wie die Großen machen […]. Und noch weiter unten die Arschkriecher, die schon ein ganzes Heer bilden […]. Und schließlich die Blablas, die wie die Enten in Tümpeln leben müssten. Denn ihr Leben hat nicht mehr Sinn und Verstand als das der Enten […]. Sie, auch wenn Sie mich auf diese Akte festnageln wollen, Sie sind ein Mensch […].«
    »Sie ebenfalls«, sagte der Hauptmann gereizt.
     
    Aus: Leonardo Sciascia,
Der Tag der Eule
;
    dt. Übersetzung von Arianna Giachi
     
    Der Erste, der Sciascia attackierte, war der Soziologe Pino Arlacchi. Ein paar Jahre später, wenngleich in einem anderen Ton und mit anderen Argumenten, folgte der Philosoph Manlio Sgalambro: »Hören wir endlich auf, die Verhältnisse in Sizilien mit dem Phänomen der Mafia zu erklären.« Ihm hielt Vincenzo Consolo, ein anderer großer sizilianischer Schriftsteller, entgegen:»Wenn Sgalambro so denkt, dann soll er uns doch sagen, dass die Mafia am Ende ist, dass Sizilien ein Paradies geworden ist, die beste aller möglichen Welten.« Nicht nur die real existierende Mafia, sondern auch ihr Bild in der Literatur spaltete also die Sizilianer, ließ die Emotionen hochkochen und alte Freundschaften zerbrechen. Ein neues Kapitel dieser nie endenden Auseinandersetzung über Mafia, Antimafia und Literatur wurde 1993 mit Sebastiano Vassallis
Il cigno
(Dt. 1996:
Der Schwan
) aufgeschlagen.
    Protagonisten dieses historischen Romans sind der Marquis Emanuele Notarbartolo und der Auftraggeber seiner Ermordung, der Parlamentsabgeordnete Raffaele Palizzolo, der wegen seiner anmutigen, ja femininen Art, sich zu bewegen, den Spitznamen »der Schwan« trug. Gegen Vassalli wurden genau die gegenteiligen Vorwürfe erhoben wie zuvor gegen Sciascia. Er stelle die sizilianische Gesellschaft der Mitverschworenen in den Mittelpunkt und verschweige, dass es auch ein anderes Sizilien gab – ein Sizilien, das auf die Straße ging, um das Opfer zu würdigen. Er dämonisiere die Sizilianer.
    In Wahrheit ist jeder, der über die Mafia schreibt, gezwungen, Partei zu ergreifen und damit zum Gefangenen von Gemeinplätzen und Lagerdenken zu werden. Am Ende steht immer eine Anklage: wegen eines Artikels, eines Romans, eines Essays. Angesichts der noch immer blutenden Wunden ist es nie leicht, ungeteilte Zustimmung zu erfahren.
    Es sind die Historiker, die unser Verständnis von der Mafia erweitert haben: Henner Hess und Anton Blok, später Francesco Renda und Salvatore Lupo. Sie haben sich nicht auf Mutmaßungen über die Mafia beschränkt, sie haben sie studiert.
    Ein Passus in Salvatore Lupos
La storia della mafia
(1993. Dt. 2002:
Die Geschichte der Mafia
) verdeutlicht, was die

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