Die Mafia - 100 Fragen 100 Antworten - FAQ Frequently Asked Questions MAFIA
eherhalbherzig – mit der Jagd nach den Urhebern dieser vermeintlich skandalösen Überhöhung der Mafia.
Schließlich stellten sich die »Handlanger der Mafia« verwundert der Polizei. Es waren zwei achtzehnjährige Architekturstudenten; einer war der Enkel von Staatsanwalt Gaetano Costa, den die Cosa Nostra ermordet hatte; der andere stammte aus einem aufgeklärten bürgerlichen Elternhaus aus Palermo. Die Jungs waren irritiert von dem, was sie in den Tagen zuvor gesehen und gehört hatten, als die Jagd nach den Schuldigen begann: nach ihnen beiden. Sie legten den Ermittlern dar, was von Anfang an klar war: Es ging ihnen nicht darum, die Mafia zu verherrlichen; im Gegenteil, sie wollten im Rahmen einer Kunstaktion den letzten großen, steckbrieflich gesuchten Mafiaboss ins öffentliche Bewusstsein rücken. Wo lag hier der Skandal? Wo die mafiose Gesinnung der beiden Graffiti-Künstler?
Die ernsthafte, wirkliche Antimafia dagegen jagt der Mafia Angst ein. Die Bosse wissen, welche Gefahr von dieser Bewegung ausgeht, und haben begonnen, sie zu fürchten. Jetzt versuchen sie, diesen Kampf für ihre eigenen Ziele zu nutzen, indem sie die Antimafia unterwandern und sich hinter ihr verschanzen.
86. Tarnt sich die Mafia als Antimafia?
In den letzten Jahren organisierte und finanzierte die Cosa Nostra sogar selbst Kundgebungen im Namen von Recht und Gesetz. Sie versuchte, ihre Leute in Antimafia-Organisationen einzuschleusen. Antonino Rotolo, Mitglied des obersten Führungsgremiums der Mafia, der Cupola, empfahl einem Freund und Unternehmer, sich der Bewegung Addiopizzo gegen die Schutzgelderpressung anzuschließen, um sich den polizeilichen Ermittlungen zu entziehen. »Um deinen Arsch zu retten«, meinte Rotolo.
Um ihre schmutzigen Machenschaften zu decken und sich in der Öffentlichkeit als Kämpfer gegen die Mafia zu stilisieren, verlieh die mafiose Kommunalverwaltung von Villabate beiPalermo dem Carabinieri-Hauptmann Ultimo (dem berühmten »Capitano Ultimo«, der Totò Riina festgenommen hatte) die Ehrenbürgerschaft. Der Bürgermeister hatte die Erlaubnis des Bezirkschefs der Mafia und die Zustimmung Bernardo Provenzanos.
»Die Mafia ist abscheulich« (»La mafia fa schifo«), erklärte ein bekannter Vertreter des sizilianischen Industriellenverbands Sicindustria gebetsmühlenhaft gegenüber der Presse. Später wurde ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet: Er war ein Mitglied der Mafiafamilie Bontate. Die sizilianische Regionalverwaltung ließ an sämtlichen Hausmauern der Insel riesige Plakate mit der Aufschrift »Die Mafia ist abscheulich« anbringen – ausgerechnet die Regionalverwaltung Siziliens, in der sich die Cosa Nostra seit mehr als fünfzig Jahren eingenistet hat.
87. Bedeutet es für einen Ehrenmann nicht Verrat, wenn er sagt: »Die Mafia ist abscheulich«?
Für die Ehrenmänner war das Wort »Mafia« einst tabu. Es auszusprechen, darauf stand der Tod. Die Mafia durfte es nicht geben, und deshalb gab es sie nicht. Heute jedoch, durch Ermittlungen und Strafprozesse in die Enge getrieben, wissen die Mafiosi, dass es für sie sehr schwierig sein wird, sich aus dem Treibsand zu befreien, in den sie hineingeraten sind. Die Ehrenmänner wissen, welches Schicksal ihnen droht: Sie werden verfolgt, ins Gefängnis gesteckt und nach Paragraph 41b verschärften Haftbedingungen ausgesetzt. Es ist sinnlos geworden, die Existenz einer kriminellen Organisation zu leugnen, die in den Augen der Weltöffentlichkeit längst entlarvt ist. Und es bringt auch nichts, im Gegenteil. Daher versuchen die Mafiosi, zu retten, was zu retten ist. Sie legen Teilgeständnisse ab und sind um Schadensbegrenzung bemüht. Pragmatisch, wie sie sind, wissen sie, dass sie sich der Verurteilung wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung nicht entziehen können. Sie haben nachgerechnet: besser zehn Jahre Haft wegen Zugehörigkeit zur Mafia alseine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Jetzt erklären sie sogar öffentlich, die Mafia sei abscheulich, oder gestehen auf diese oder jene Weise ihre Zugehörigkeit zu dieser Organisation ein. Der Satz, der auf den ersten Blick wie eine Diffamierung wirkt, ist in Wahrheit ein perfider Akt. Es ist der Versuch unterzutauchen, sich unter die Menge zu mischen, in einer Kultur aufzugehen, die die Mafia entlarvt und verurteilt hat.
Der Erste, der mit solchen Äußerungen im Frühsommer 2009 auf sich aufmerksam machte, war der Boss Antonino Rotolo. Seinem Beispiel folgten Antonino Cinà
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