Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Kellerverlies war sie nie hinabgestiegen, hatte sich schon als Kind davor gefürchtet. Eiserne Krallen gruben sich in ihren Rücken. Mergh würde Gabriel doch nicht etwa dort unten versteckt halten?
Alena beschleunigte ihren Schritt und gelangte endlich auf den Weismarkt. Hoffentlich öffnete Änni ihr die Tür, und sie konnte von den anderen unbemerkt das Haus betreten. Mergh oder Gotthardt durften ihr zwar nicht den Zutritt verwehren – es war schließlich das Haus ihres Vaters, in dem sie wohnten. Doch Alena kannte die beiden gut genug. Darum würden sie nicht viel geben. Alena schluckte hart und klopfte an die Tür. Erleichtert erblickte sie Ännis Gesicht.
Die Freundin zog sie ins Haus. »Gut, dass du endlich da bist. Die kleine Sophie hat zu jammern begonnen. Ich habe schon versucht, sie mit einem Mehlbrei zu füttern, doch sie spuckt ihn immer wieder aus.«
Alena folgte ihr durch den Flur in den Garten und betrat den Schuppen. Ehe Sophie vollends die Geduld verlor, legte sie das Mädchen rasch an ihre Brust. »Änni, ich fürchte, sie haben Gabriel im Keller versteckt.«
Die Freundin runzelte die Stirn. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Warst du jemals dort unten?«
»Nein. Mir hat immer der Mut gefehlt, wegen der Spinnen. Vater behauptete, es gäbe dort unsäglich viele.«
»Da hatte er wohl recht. Ich war einmal unten. Gabriel kann dort nicht versteckt sein, glaube mir.« Änni schüttelte sich.
»Das glaube ich erst, wenn ich mich davon überzeugt habe.« Alena legte Sophie auf ihr Lager. »Begleitest du mich?«
»Natürlich.« Änni folgte ihr durch den Flur bis zu der Tür, die ins Kellerverlies führte. Mit zitternder Hand drückte Alena die Klinke. Plötzlich vernahm sie Merghs keifende Stimme. »Was treibst du in meinem Haus?«
Alena fuhr herum. »In Eurem Haus? Dass ich nicht lache!« Sie griff erneut nach der Klinke.
»Lass die Pfoten von der Tür und verschwinde! Wir sehen uns heute Abend in der Gaffel Himmelreich. Erst wenn du deine Aussage zurückgezogen hast, darfst du das Haus betreten.«
»Passt gut auf, verehrte Schwiegermutter. Ich klettere nun die Stiege hinunter in das Verlies und hole meinen Sohn. Denn ich weiß genau, dass er dort unten ist. Sobald ich ihn in meinen Armen halte, gehe ich zu Gülich und gebe meine Aussage frei. Versteht Ihr mich?« Niemand würde sie davon abhalten, ihren Sohn zu retten. Nicht einmal ein Heer von Kriegern.
Mergh trat auf sie zu, riss ihren Arm an sich und drehte ihn ihr auf den Rücken. »Das lässt du schön bleiben, du Miststück!«
Änni baute sich vor Mergh auf. »Uns beide kannst du nicht festhalten. Dann hole eben ich Gabriel aus dem Loch!« Sie trat zur Tür, um sie zu öffnen.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Gotthardt neben Änni auf und legte den Arm um ihren Hals. »Was ist hier los?«
»Gotthardt, dem Herrn sei Dank! Die Weibsbilder wollen sich mir widersetzen.« Mergh verstärkte ihren Griff und drückte Alenas Arm nach oben.
Nur mit Mühe unterdrückte Alena einen Schmerzensschrei. Mit diesem Griff hätte man auch einen Bären von einem Mann in die Knie zwingen können. Verzweifelt blickte sie zu Änni, die kaum noch Luft bekam, weil Gotthardts Arm auf ihre Kehle drückte.
»Stell dir vor, mein Sohn, die kleine Hure will nun doch ihre Aussage aufrechterhalten.«
»Tatsächlich?« Gotthardt hob die Augenbrauen. »Mal sehen, wie lange sie bei ihrer Absicht bleibt.« Er legte die Hand auf Ännis Brust und knetete das Mieder.
Die Freundin riss sich los, schoss ruckartig mit dem Kopf nach vorn und biss zu.
»Du Miststück!« Gotthardt stieß Änni so heftig von sich, dass sie den Halt verlor und zu Boden fiel. Er steckte sich die blutende Handkante in den Mund und versetzte Änni einen Tritt in die Rippen.
Alena wollte ihrer Freundin zu Hilfe eilen, doch Mergh krallte die freie Hand in ihr Haar und riss ihren Kopf nach hinten. »Bleib ganz ruhig«, zischte sie drohend.
Änni versuchte, sich aufzurappeln, doch Gotthardt trat ihr mit solcher Wucht gegen den Kopf, dass sie das Bewusstsein verlor.
Alena stieß entsetzt einen Schrei aus. Besinnungslos vor Wut und unempfindlich gegen den eigenen Schmerz, stemmte sie sich gegen Merghs Griff. Die Kraft der Schwiegermutter ließ überraschend schnell nach. Mit einem Mal hatte Alena sich befreit.
Mergh rief nach ihrem Sohn, der mit langen Schritten zu ihr stürzte. Ohne ein Wort zu verlieren, hieb er Alena die Faust ins Gesicht. Dann griff er nach ihrem Arm und schüttelte
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