Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
entstiegen.
»Da bist du ja endlich!«, herrschte Mergh sie an.
»Ich gehe allein zu Gülich. Ihr wartet hier.« Alena schob sich an Mergh vorbei.
»Was sagst du da? Für wie dämlich hältst du mich? Ich gehe mit. Oder glaubst du, ich hätte mich durch das Mistwetter gekämpft, um einer Ritterrüstung Gesellschaft zu leisten?«
»Ich will Euch nicht dabeihaben, wenn ich meine Aussage widerrufe.« Alenas Röcke hinterließen eine Pfütze auf dem Steinboden.
»Nein, meine Liebe. So haben wir nicht gewettet. Entweder widerrufst du die Aussage in meiner Gegenwart, oder du siehst deinen Sohn nie wieder.«
Unterdessen kam ein Herr die Treppe herunter und betrachtete die beiden Frauen aufmerksam. »Meine Gnädigsten, warum der Streit in unserem Haus?«
»Wir wollen zu Gülich«, stieß Mergh ohne Umschweife hervor.
»Oh, da muss ich Euch enttäuschen. Gülich ist leider auf Reisen. Aber wie ich gehört habe, soll er heute Abend zurück sein.« Der Mann lüftete seinen hohen schwarzen Hut und begab sich zur Tür.
Mergh sog tief den Atem ein. Musste dieser Aufrührer sich gerade jetzt auf Reisen befinden? Sie war ihrem Ziel so nahe. Sie hätte noch viele Aussagen von Alena erpressen können. Gotthardt würde in einem Licht dastehen, das heller als die Sonne strahlte. Sie kniff die Augen zusammen und griff grob nach Alenas Arm. »Aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Heute Abend sehen wir uns kurz vor Einbruch der Dunkelheit an dieser Stelle wieder. Hast du mich verstanden?«
Alena nickte. »Ja natürlich. Dann gebt Ihr mir Gabriel zurück.«
»Gewiss, gewiss«, murmelte Mergh und verließ das Haus der Gaffel Himmelreich.
Alena schaute der Kutsche hinterher, die mit ihren großen Rädern durch den Schlamm ruckelte. Was dachte sich dieses Brauereipferd nur? Natürlich würde sie unter vier Augen mit Gülich sprechen. Am Abend würde sie sich rechtzeitig vor seiner Tür einfinden.
Als Alena auf die Straße trat, hatte der Regen nachgelassen, doch der Himmel war mit schweren Wolken verhangen. Wenn sie nur wüsste, wo Mergh Gabriel versteckt hielt! Dann könnte sie ihn befreien und mit ihm davonlaufen.
Tief in ihre Gedanken versunken, stieß sie beinahe mit dem Mann in dem Siechenmantel zusammen. Sie blickte auf und sah in Diederichs Gesicht, das unter der Kapuze hervorschaute.
Der Schellenmann blickte sie an, als ob er einem Waldgeist auf die Füße getreten wäre. »Es muss Gottes Wille sein, dass wir uns zweimal in so kurzer Zeit begegnen«, sagte er und lächelte verlegen.
»Eher handelt es sich um Teufelswerk«, zischte Alena. »Damit kenne ich mich aus.«
»Wie meinst du das?« In Diederichs Hand zitterte die Büchse.
»Warum hast du das getan, Diederich? Warum hast du mein unschuldiges Kind verraten?« Alena schluckte gegen die Tränen der Wut. Es fiel ihr unendlich schwer, nicht mit den Fäusten auf Diederich loszugehen.
»Dein Gemahl ist schuld. Er gab mir einen Becher Weinbrand nach dem anderen. Ich erinnere mich nur noch daran, dass das Gold gefunkelt hat, aber nicht daran, dass ich deinen Sohn verraten habe.«
»Aber genau das hast du getan! Und nun ist er in Gefahr. Sie wollen ihn töten!«, schrie Alena.
Diederich starrte sie ungläubig an. »Das … das wollte ich nicht. Glaub mir, bitte! Ich war vollkommen betrunken.«
»Das ändert nichts. Nein, Diederich, es ändert nichts. Geh mir aus den Augen, bevor ich mich vergesse.«
»Alena, bitte, ich habe dem Suff abgeschworen. Bitte, verzeih mir doch. Wie kann ich dir helfen?« Diederich hielt ihr die Büchse hin. »Nimm wenigstens das Geld.«
Alena schlug ihm die Dose aus der Hand. »Es ist zu spät, Diederich. Du kannst deine Schuld nicht tilgen. Lass es dir gesagt sein: Sollte meinem Sohn etwas zustoßen, schicke ich dich in die Hölle.« Alena drehte sich auf dem Absatz um und ließ den Mann ohne ein weiteres Wort auf der Straße stehen.
Sie kam nur langsam voran. Ihre Kleider waren vom Regen völlig durchnässt. Das Hemd klebte ihr am Leib, und die Röcke waren so schwer, dass sie keine schnellen Schritte mehr zuließen. Doch so rasch wie möglich wollte sie in das Haus ihres Vaters, um nochmals nach Gabriel zu suchen. Vielleicht hatte Änni in der Zwischenzeit etwas herausgefunden. Ein Säugling ließ sich nicht ohne weiteres verstecken. Er brauchte Nahrung, und wenn er sie nicht bekam, dann schrie er danach. Wenn er im Haus war, würde er sich bemerkbar machen. Sie kannte doch jeden Winkel. Nein, das stimmte nicht ganz. In das
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