Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
Alena zu. »Wie siehst du aus, Mädchen? Geht es dir nicht gut?«
»Doch, es geht ihr gut«, fuhr Mergh dazwischen. »Für Gefühlsduselei fehlt uns die Zeit. Also nehmt Papier und Feder zur Hand und haltet fest, was sie zu sagen hat.«
Alena blickte in Gülichs besorgtes Gesicht und sah einen Fremden vor sich. War sie wirklich einmal so vertraut mit ihm gewesen, dass sie ihn mit seinem Vornamen angesprochen hatte? Und was hatte er bisher mit seinen klugen Reden erreicht? Spielte dieser Mann irgendeine Rolle in ihrem Leben? Jene Welt, in der ab und zu auch für sie die Sonne geschienen hatte, lag längst hinter ihr, war für immer verloren. In ihrer Erinnerung tauchte Änni auf, wehrlos und ohne Besinnung vor Gotthardts Füßen. Es bedurfte nur weniger Worte, und sie würde ihre Freundin vor dem Schlimmsten bewahren. »Ich verlange, dass Ihr mir das Schriftstück mit meiner Aussage gegen meinen Ehemann Gotthardt Crosch aushändigt.«
Gülich legte die Hand auf Alenas Schulter.
Als wäre sie ein gefährliches Insekt, schlug Mergh danach. »Was erlaubt Ihr Euch! Wagt es nicht, meiner Schwiegertochter zu nahezutreten. Nach unzüchtigen Gesten steht uns wahrlich nicht der Sinn. Wo verwahrt Ihr das Schriftstück?«
Seufzend schüttelte Gülich den Kopf. »Mädchen, du bist doch nicht aus freien Stücken hier. Gib es zu!«
»Was soll ich zugeben? Ich habe mich geirrt. Gotthardt ist ein rechtschaffener Mann. Ich habe ihm Unrecht getan.« Alena streckte die Hand aus. »Und nun gebt mir das Schriftstück.«
Gülich presste die Lippen zusammen und zog die Schublade seines Schreibtisches auf. »Gut. Wie du willst, Mädchen. Aber glaube mir, ich werde dich nicht den Fängen der Familie Crosch überlassen.«
Noch ehe er Alena das Schriftstück überreichen konnte, hatte Mergh es ihm aus der Hand gerissen. »Setzt Euch, Rebell! Meine Schwiegertochter hat Euch noch etwas zu sagen, das Ihr mit Eurer Tinte festhalten müsst.« Sie stieß Alena den Ellbogen in die Rippen. »Nun sag schon, welch ehrbarer Mann Gotthardt ist.«
Durch den Nebelschleier in ihrem Kopf konnte Alena nur ahnen, was Mergh erwartete, und hoffte inständig, keinen Fehler zu machen. »Mein Gemahl übt sein Amt im Sinne der Kölner Bürgerschaft aus. Alle meine verleumderischen Beschuldigungen gegen ihn habe ich ausgesprochen, weil ich von den rechten Wegen abgekommen war. Ich habe keine Erklärung dafür. Außer dieser einen: Ich bin eine Buhlschaft mit dem Teufel eingegangen.« Alena schluckte hart. Wieder schob sich Ännis Bild vor ihr inneres Auge. Dann sah sie Gabriel, wie er abgemagert zwischen den Spinnweben im Kellerverlies lag, den Mund zu einem stummen Schrei geöffnet. Heiß strömte das Blut durch ihre Adern. Sie lebte also doch noch! Tief sog sie den Atem ein und schwor sich, ihren Sohn noch heute Nacht zu befreien. Ohne dabei Änni in Gefahr zu bringen und ohne auf fremde Hilfe zu hoffen. Gülich hatte mit seinen rechtschaffenden Worten jedenfalls nichts bewirken können, sonst wäre ihr doch all dies erspart geblieben.
Entschlossen reckte Alena das Kinn vor und raffte die Röcke. »Lasst uns gehen, Schwiegermutter. Dieser Mann steckt mit dem Teufel im Bunde. Wenn jemand das beurteilen kann, dann bin ich es.«
Alena hätte Mergh am liebsten die Augen ausgekratzt. Weil Gabriel jedoch immer noch in Gefahr war, machte sie gute Miene zum bösen Spiel. Sobald sie ihn gefunden hatte, würde sie den Spieß umdrehen. Dann ginge es Mergh und Gotthardt an den Kragen. Und zwar so schnell, dass ihnen nicht einmal die Zeit bliebe, aus der Stadt zu flüchten. Keine ihrer Untaten würde ungesühnt bleiben.
Ruppig stieß die Schwiegermutter sie in den Wagen. »Nun mach schon, du Suppenhuhn! Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit.«
»Wo ist Gabriel? Geht es ihm gut?«, stieß Alena hervor, noch bevor sie sich in der Kutsche niedergelassen hatte.
»Die Brut befindet sich an einem Ort, wo ein Dämon hingehört.« Mergh grinste spöttisch.
Was meinte sie damit? Alena knirschte mit den Zähnen. »Ich schwöre Euch, ich lasse niemanden am Leben, der ihm auch nur ein Haar gekrümmt hat.«
»Oh, das klingt tatsächlich furchterregend.«
»So soll es sein. Was habe ich zu verlieren, wenn Gabriel nicht mehr ist? Mein Leben?« Alena schaute aus dem Fenster der Kutsche. Die Händler banden das Vieh von den Pfählen und führten es vorbei an den traufseitigen Häusern, die den Heumarkt säumten. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie Mergh, die ihr gegenübersaß
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