Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
trat zu Alena. »Du bist nun eine reiche Frau. Ich glaube, dass dein Vater dir ein ansehnliches Vermögen hinterlassen hat.«
»Aber … ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll. Das Tuch, das im Gürzenich lagert – wie soll ich es verkaufen? Wer soll den Handel fortführen?«
»Wenn du willst, gehe ich dir zur Hand, Mädchen. Ich bin der geborene Kaufmann.«
Alena schaute ihn dankbar an. Obwohl es ihr sehnlichster Wunsch gewesen war, eines Tages selbst mit Tuch zu handeln, fühlte sie sich dieser Aufgabe nun nicht gewachsen. »Du wirst eine großzügige Provision erhalten. Und wenn du mir etwas Zeit gibst, werde ich dich schon bald unterstützen.«
Gülich lachte auf. »Es eilt nicht, Mädchen. Und wenn ich selbst keine Zeit dafür haben sollte, ist sicher mein Bruder Theodor zur Stelle.«
Alenas Gedanken wanderten zu Iven. Wie es ihm wohl ergehen mochte? »Darf ich dich etwas fragen, Nikolaus?«
»Nur heraus damit, Mädchen.«
»Hast du mit Iven gesprochen? Wie geht es ihm?«
Gülich zog die Schultern hoch. »Er schlägt sich mit seinem Bruder und den Eltern herum. Aber immerhin konnte ich ihm einen Posten als Stadtwerker beschaffen. Nur …«
»Ja?« Alena horchte auf.
»Auch das scheint ihn allerdings nicht glücklich zu machen.«
Änni stieß geräuschvoll den Atem aus. »Natürlich nicht! Er vermisst Alena. Der Kerl ist sturer als ein Esel.«
»Meine Damen, aus Herzensangelegenheiten halte ich mich heraus. Da bin ich viel zu unerfahren.« Gülich schenkte Änni ein Augenzwinkern.
»Ich danke dir, Nikolaus.« Alena erhob sich und spürte, wie ein heftiger Schwindel sie überfiel. »Bist du damit einverstanden, wenn wir die Unterhaltung an einem anderen Tag fortführen? Diese Neuigkeiten haben mich ein wenig durcheinandergebracht. Ich muss meine Gedanken ordnen. Änni wird dich hinausbegleiten.« Alena schämte sich dafür, Gülich auf diese Weise hinauszukomplimentieren. Doch sie verspürte das dringende Bedürfnis, sich zurückzuziehen, und wollte ihn mit Änni nicht allein lassen. Schließlich oblag es ihr von nun an, für das Mädchen zu sorgen.
31. K APITEL
G ülich verließ das Haus und schlenderte durch die Gasse davon. Änni stand in der Tür und konnte die Augen nicht von der sich entfernenden Gestalt wenden. Gülich rückte den breitkrempigen Hut mit der langen Feder auf dem Kopf zurecht und drehte sich zu ihr um, als hätte er ihren Blick im Rücken gespürt. Hastig hob Änni die Hand und winkte. Da warf er ihr eine Kusshand zu, und sie spürte, wie ihr das Herz in der Brust hüpfte. Wann er wohl wiederkäme? Sicher würde Alena schon bald auf sein Angebot zurückkommen. Dann würde sie ihn wiedersehen. Ach, er war eine so angenehme Gesellschaft! Noch nie hatte Änni sich in Gegenwart eines Mannes so wohl gefühlt. Nur wenige hatten bisher ein ernsthaftes Wort mit ihr gewechselt, und sie waren mit Nikolaus nicht zu vergleichen. Änni lächelte in sich hinein, und als Gülich aus ihrem Blickfeld verschwunden war, schloss sie in Gedanken versunken die Tür.
Das Leben konnte jetzt so schön sein! Sie hatten das ganze Haus für sich allein. Und die Kinder. Doch all das genügte nicht, erkannte Änni traurig. Leni war verbittert, seit sie Iven nicht mehr sah. Ohne seine Liebe würde sie nicht glücklich werden. Änni rieb sich nachdenklich mit dem Finger über die Nase. Gottes Mühlen brauchten wohl wieder einmal einen Schubs. Offenbar gönnte sich der alte Herr dort oben im Himmel nach den Ereignissen der letzten Zeit eine Verschnaufpause. Mit neugewonnenem Schwung band Änni sich den Umhang um, griff nach dem Einkaufskorb, in dem noch die Geldkatze lag, und verließ das Haus.
In der Wehrgasse angekommen, war sie völlig außer Atem. Nur kurz ausruhen wollte sie, bevor sie Ivens Haus aufsuchte. Da entlud sich plötzlich ein Nachttopf über ihr. Zornig schaute sie an der Hausfassade hinauf und entdeckte in einem Fenster eine alte Frau. »Du dumme Wachtel! Hättest doch vorher nachschauen können, ob jemand in der Gasse ist.«
»Ach, halt’s Maul, Weib!« Mit einem Knall verschlossen sich die Fensterläden, und das runzelige Gesicht war verschwunden.
Das wollte Änni sich nicht bieten lassen. Mit schnellen Schritten eilte sie auf die Haustür zu und hämmerte mit den Fäusten dagegen.
»Änni?«
Verwundert drehte sie sich um und schaute in Ivens traurige Augen. Moosgrün waren sie, wie Alena gesagt hatte. Der strenge Geruch, den ihr Umhang verströmte, war nicht zu ertragen. Sie
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