Die Magd und das Teufelskind: Historischer Roman (German Edition)
den Fingern über seine Wange.
Iven lächelte. »Ich dich auch.«
»Der Engel ist wunderschön. Du hast sicher die ganze Nacht daran gearbeitet.«
»Ja, das stimmt. Gülich hat mir den Stein gebracht. Du glaubst nicht, welch große Freude er mir damit bereitet hat.«
»Doch, ich weiß«, entgegnete Alena. Auf den Rebellen war wirklich Verlass. Wie schnell er ihre Bitte erfüllt hatte!
Es war der dritte Sonntag, seit sie auf dem Leprosenhof arbeitete, und endlich hatte sie wieder ein paar freie Stunden, in denen sie Gabriel besuchen konnte. In ihr Herz schlich sich wieder einmal die Sorge um ihren Sohn. Hoffentlich war alles in Ordnung!
Hinter der Hahnenpforte wartete wie verabredet Änni auf sie, um sie zur Kappesbäuerin zu begleiten.
»Sag mal, ist dir nicht warm in dem Mantel? Puh, ich schwitze schon in dem dünnen Hemd. Dabei steht die Sonne noch gar nicht so hoch am Himmel.«
»Doch, natürlich ist mir warm, aber ich muss den Mantel ja tragen.«
»Das verstehe ich nicht. Du leidest doch gar nicht an der Sieche.«
»Aber sie könnte an mir haften. Was weiß ich.« Alena zuckte mit den Schultern. »Außerdem bietet der Mantel mir Schutz. Unter der Kapuze kann ich mich verstecken, damit mich niemand erkennt. Gotthardt darf mich auf keinen Fall in der Stadt wissen.«
»Ja, das stimmt. Aber nun lass uns gehen! Ich kann es kaum erwarten, unser Kindlein zu sehen.«
In den Gassen von Köln plapperte Änni von Gotthardt und Mergh. Die Stimmung im Haus war offenbar schlecht, denn die beiden liefen nur noch mit langen Gesichtern umher.
Alena kümmerte das nicht. Es war, als läge die Zeit, in der sie Gotthardt und Mergh hatte ertragen müssen, Jahre zurück. Sie dachte an den Engel und die Nacht mit Iven.
»Hörst du mir überhaupt zu?« Änni stieß ihr mit dem Ellbogen in die Rippen.
»Iven hat für mich einen Engel aus Stein gefertigt. Er ist wunderschön. Du musst ihn unbedingt sehen.«
Änni blieb stehen und sah ihr tief in die Augen. »Ihr seid Liebende, oder?«
Stand es ihr etwa auf der Stirn geschrieben? Alena spürte, wie ihr die Hitze in den Nacken kroch.
»Wie war es?«
»Was?« Sie stellte sich dumm, obwohl sie genau wusste, worauf Änni hinauswollte.
»Na, das Bett mit ihm zu teilen.«
»Woher willst du wissen, dass ich das getan habe?«
»Weil ich dich ziemlich gut kenne. Du müsstest deine Wangen sehen. Sie sind knallrot.«
»Fändest du es verwerflich?«
Änni wiegte den Kopf hin und her und rieb sich mit dem Finger über die Nase. »In den Augen der Kirche ist es eine Sünde. Wie so vieles andere auch. Aber ich finde, dass Liebe gar keine Sünde sein kann. Auch wenn ihr der Segen der Kirche fehlt.«
»Es war wunderschön, Änni. Ich hätte nie gedacht, dass es so sein könnte.« Nun hatte Alena die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Freundin.
»Erzähl!«, verlangte Änni mit einem Grinsen.
Alena versuchte, ihre Gefühle in Worte zu fassen, doch es gelang ihr nicht. »Es war einfach unbeschreiblich.«
»Was hast du denn gespürt, als er sein Ding … du weißt schon. Mit Gottschreck war es doch so furchtbar, hast du mir erzählt.« Ännis Augen quollen vor Neugierde hervor.
»Es war ganz anders als mit Gotthardt. Es hat nicht weh getan. Im Gegenteil. Es war, als strömte reine Wärme durch meinen Leib. Du glaubst nicht, welch eine Sehnsucht in mir toste.«
»Sehnsucht? Wonach denn?« Änni zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen.
»Danach, geliebt zu werden. Ja, so kann man es nennen«, versuchte Alena, es zu erklären. »Die Erfüllung dieser Sehnsucht ist das stärkste Gefühl, das ich je erlebt habe. Ich war nicht mehr in dieser Welt, als es geschah.«
Änni sah sie verblüfft an. »Wo warst du denn? Im Himmel?«
»Ja, vielleicht.«
»Nun erzählst du aber Märchen.« Änni winkte ab.
Alena seufzte. »Ich war vielleicht nicht wirklich im Himmel. Aber es hat sich so angefühlt. So, als würden tausend Farben explodieren und mich in eine andere Welt katapultieren.«
Ännis Blick erhellte sich. »Das will ich auch einmal erleben.«
»Wart’s nur ab, Änni. Sobald du einen Mann gefunden hast, den du liebst, wird es dir genauso ergehen.«
»So schnell finde ich bestimmt keinen Mann, den ich liebe. Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Keine Sorge. Irgendwann trifft es dich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Glaube mir. Genauso war es, als ich Iven zum ersten Mal begegnet bin.«
»Das habe ich bemerkt. Na ja, für mich kann ich mir so etwas zwar nicht vorstellen, aber
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