Die Magd von Fairbourne Hall
meint es nicht böse … mit niemand, da bin ich ganz sicher.«
Das war eine seltsame Reaktion, wurde ihm bewusst, nachdem sein erster Zorn verraucht war, es sei denn, sie kannte die wahre Identität des Hausmädchens.
»Ich gehe nur hinunter und begrüße ihn.« Nathaniel tätschelte Helens Hand, entwand sich ihrem Griff und verließ das Zimmer. Er ging mit großen Schritten über den Flur und lief die Treppe hinunter. Unten führte ihn der ungewohnte Klang eines Klaviers im Verein mit dem Duft nach würzigen Fleischgerichten, Brot und Ale den schmalen Gang entlang ins Dienstbotenzimmer.
Er trat in die Türöffnung, sah sie und sein Magen krampfte sich zusammen. Lewis, groß gewachsen und gut aussehend, äußerst selbstsicher, Hand in Hand mit Nora. Doch er sah nicht Nora, sondern Margaret. Nicht mit schwarzem, sondern mit blondem Haar. Nicht im schlichten Kleid, sondern in einem Gewand aus edlem weißem Satin, mit Juwelen in den goldenen Locken, blickte sie zu seinem schneidigen älteren Bruder auf. Er spürte wieder den scharfen Stich der Eifersucht, die eisige Faust der Angst, die er vor zwei Jahren gespürt hatte, als ihm klar wurde: So sieht sie mich nicht an … während er versuchte, die wachsende Furcht, dass er sie verlieren könnte, zu ignorieren. Dass er sie an seinen eigenen Bruder verlieren könnte, an einen Mann, der sie nie so zu schätzen wissen, nie so sehr lieben würde wie er.
Lewis tanzte mit Nora durch die Tür und wäre beinahe mit Na thaniel zusammengestoßen. Das riss ihn aus seinen jammervollen Gedanken.
Lewis blieb stehen. »Nate, alter Junge! Großartiges Fest! Gut gemacht. Hätte ich nicht von dir gedacht.«
»Mr Upchurch!«, platzte Nora heraus. Sie wurde tiefrot. »Ich … ich freue mich, Sie zu sehen. Wiederzusehen.«
Er bezweifelte es stark. Sie sah verlegen aus. Wirkte ertappt.
Lewis blickte amüsiert von dem tiefrot angelaufenen Mädchen zu ihm. »Ein Hausmädchen freut sich, dich zu sehen. Da frage ich mich doch, wie das kommt!«
»Keine Ahnung«, sagte Nathaniel. Er mied ihren Blick. »Was führt dich nach Hause?«
»Ich muss etwas geahnt haben. Ich kann ein Fest aus meilenweiter Entfernung riechen!«
»Sieht so aus.«
Nora entzog Lewis ihre Hand, entschuldigte sich und lief den Flur hinunter.
Lewis blickte ihr nach. »Sie erinnert mich an jemanden … an wen nur?«
»An eine deiner vielen Eroberungen zweifellos«, sagte Nathaniel trocken. »Ich überlasse dich wieder deinen Plänen. Wollte dich nur begrüßen.«
Margaret lief in die Küche und rang die Hände. Ihr war sterbenselend. Jetzt würde Nathaniel das Schlimmste von ihr denken. Wenn er noch immer dachte, dass sie nur ein Hausmädchen war, würde er sie für kokett halten, für ein leichtfertiges Ding, das Lewis zum Tanz und zu einem Tête-à-Tête verführt hatte. Und wenn er ahnte, wer sie war, war es noch schlimmer, denn dann dachte er, dass sie wieder ihre alten Tricks anwandte und versuchte, seinen älteren Bruder zu umgarnen. Ruhelos ging sie in der Küche auf und ab.
Eines der gemieteten Aufwartmädchen blickte von dem Tablett auf, auf das sie gerade Tee und Sandwiches stellte. »Alles in Ordnung, Liebes?«
Margaret nickte. Dann fielen ihre Augen auf das Tablett. »Ist das für oben?«
»Ja.«
»Darf ich es raufbringen?«
Die ältere Frau schüttelte den Kopf. »Die sollen nicht denken, dass ich faul bin. Oder gar tanze. Gefällt dir das Fest nicht?«
»Doch, aber … ein bestimmter Mann ist ein bisschen aufdringlich geworden.«
»Ein Lakai wahrscheinlich«, sagte die Frau missbilligend. »Es sind immer die Lakaien.«
Margaret trat näher. »Darf ich es nicht doch raufbringen? Ins Wohn zimmer, oder?«
»Ja, aber … na gut. Wenn du unbedingt willst. Wenn ein Mann kommt und nach dir fragt, jag ich ihn weg, in Ordnung?«
»Danke.«
Mit zitternden Händen trug Margaret das Tablett die Treppe hinauf und den Flur entlang ins Wohnzimmer. Auf diese Weise, so sagte sie sich, würde Nathaniel sie sehen und wissen, dass sie nicht bei Lewis war. Dann würde er sich nicht vorstellen, wie sie beide irgendwo allein waren, und das Schlimmste von ihr denken. Mit dem Ellbogen drückte sie die Klinke herunter und stieß die Tür auf. Sie trug das Tablett hinein, hielt jedoch den Kopf gesenkt, damit niemand ihr ängstliches Gesicht sah.
»Ach, Nora«, sagte Helen. »Warum bist du nicht auf dem Ball? Die gemieteten Diener sollten euch doch die Arbeit abnehmen.«
»Es macht mir nichts aus. Sie haben so
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