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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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bekommen. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um die gleichen Themen: Was sollte er mit seinem beschädigten Schiff, seinem Bruder, seiner Schwester, seinem Hausmädchen anfangen …
    Allmächtiger Gott, zeig mir meinen Weg. Hilf mir, deinen Willen zu tun.
    Er stieß die Balkontür auf, trat hinaus – und hörte ein erschro­ckenes Aufkeuchen. Er fuhr zusammen und drehte sich blitzschnell um – als sei der »Pirat« Preston plötzlich über das Geländer gesprungen.
    Doch die Gestalt am anderen Ende des Balkons war kein Verbrecher. Eine Bedrohung? Ja, das war sie gewiss.
    »Entschuldigung, Sir.« Nora – Margaret – schlug die Augen nieder und trat vom Geländer zurück.
    Er sagte: »Kein Grund, meinetwegen wegzulaufen.«
    »Aber Sie möchten sicher allein sein. Und ich dürfte gar nicht hier sein.«
    Wahrscheinlich hatte sie recht, doch plötzlich lag ihm viel daran, dass sie blieb. Hatte er seinen Entschluss, sie zu meiden wie die Pest, wirklich so schnell vergessen?
    »Bitte, bleib«, sagte er.
    Anscheinend hatte er das.
    Sie zögerte, dann drehte sie sich um und griff wieder nach dem Geländer.
    Er war erleichtert, dass sie nicht fragte, warum. Die einzige Antwort, die ihm einfiel, lautete: »Weil ich ein Narr bin.«
    Sie blickte hoch, zu den Sternen, vermutete er; vielleicht wollte sie aber auch einfach vermeiden, ihn anzusehen.
    »Das ist der Polarstern.« Er deutete hin. »Der Helle da hinten. Siehst du ihn?«
    Sie folgte seinem Finger. »Ja.«
    »Wie viele Nächte habe ich auf dem Weg nach Hause zu ihm hi­naufgeschaut! Er ist der Lieblingsstern eines jeden Seemanns.«
    Sie nickte, sagte jedoch nichts. Sein Versuch, mit ihr ins Gespräch zu kommen, war offenbar fehlgeschlagen.
    Doch dann fragte sie ruhig: »Sind Sie gern auf dem Meer, Sir?«
    Er atmete auf. »Ja, wenngleich meine Rückkehr ihren Tribut gefordert hat.«
    Er spürte ihren Blick und schaute zu ihr hinüber. Sie sah ihn an, die Brauen fragend hochgezogen. Sie trug ihre Brille, doch ihm fiel auf, dass die schwarzen Ponyfransen fehlten. Stattdessen war die Haube tief über die Haare hinabgezogen. Dennoch sah sie sich so ähnlicher als mit den schwarzen Haarmassen um das Gesicht.
    Er fragte: »Hilft die Brille dir, Dinge in der Ferne zu erkennen – wie diesen Stern zum Beispiel?«
    Sie blickte wieder zu dem Stern hinauf und drückte dann das Kinn auf die Brust, um über den Brillenrand zu schauen. »Ja.«
    »Ich habe auch fast immer eine Brille getragen, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass ich sie nur zum Lesen und fürs Nahsehen brauche.«
    Sie nickte, dann fragte sie: »Sie haben von Tribut gesprochen?«
    Er verzog das Gesicht. »Wir wurden auf den Docks von einem Mann überfallen, den wir aus Barbados kennen. Er nennt sich selbst den Dichter-Piraten. Es war aber ganz und gar nicht poetisch von ihm, mein Schiff zu überfallen und in Brand zu stecken.«
    Sie schüttelte mitfühlend den Kopf. »Mr Hudson hat es mir erzählt. Es tut mir sehr leid für Sie.«
    »Deshalb war ich an dem Abend, als Hudson die Kutsche fuhr und sich verirrte, so gut wie bewusstlos. Er hatte mich zu einem Arzt gebracht, den man mir beim Zollhaus empfohlen hatte. Er verband meine Wunden und verabreichte mir eine großzügige Dosis Laudanum.«
    Sie nickte wieder.
    Er sah sie von der Seite an und fragte: »Und wie hast du dich verirrt? Wie bist du bei den Docks und dann in Maidstone gelandet?«
    »Ich wollte Kummer vermeiden.«
    »Welche Art Kummer?«
    Sie zuckte die Achseln; er sah, dass sie sich unbehaglich fühlte.
    »Wurdest du … entlassen, aus irgendeinem Grund? Ich verspreche, dass es deine Stellung hier nicht gefährden wird, wenn du es mir erzählst.«
    »Nein, das war es nicht, Sir. Es war … einer der Männer im Haus, er machte … er machte es schwierig für mich.«
    »Inwiefern schwierig?«
    Sie wand sich unbehaglich, dann flüsterte sie: »Das möchte ich lieber nicht sagen.«
    »Hattest du denn niemand, keinen Freund oder Verwandten, an den du dich hättest wenden können und der dir geholfen hätte?«
    Sie schüttelte den Kopf und blickte wieder zu den Sternen hinauf. »Ich habe an Joseph denken müssen. Als Potiphars Frau versuchte, ihn zu verführen, ist er geflohen, erinnern Sie sich? Er lief und lief, ohne über die Folgen nachzudenken, ohne zurückzublicken.«
    »Und genau so hast du es gemacht.«
    Sie nickte.
    Er lächelte verlegen. »Joseph ist im Gefängnis gelandet, das weißt du doch.«
    »Oh«, entfuhr es ihr, »das hatte ich

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