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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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trug, das er noch nie gesehen hatte.
    »Du siehst gut aus«, sagte er.
    Sie hob das Kinn. »Ja, ich weiß.« Sie lächelte ihn keck an. »Danke, dass du es bemerkt hast.«
    Der erste Gang wurde aufgetragen. Helen fragte: »Wie ist es mit Mr Tompkins gegangen?«
    »Gut.«
    »Du hast ihm die Situation erklärt?«
    Er wusste, dass sie von Lewis und dem »Duell« sprach. Da er sich bewusst war, dass Arnold und die Lakaien zuhörten, beschloss er zu warten und ihr den wahren Grund für das Kommen des Mannes später mitzuteilen.
    »Er ist zufrieden wieder weggegangen, ja.«
    »Gut.« Helen stieß erleichtert die Luft aus. Danach sprachen sie über Dinge, die gefahrlos bis in die Dienstbotenquartiere vordringen durften.
    So kam es, dass Nathaniel erst spätabends, als er auf sein Zimmer ging, wieder an den Zeitungsausschnitt dachte, der in der Tasche des Überrocks steckte, den er an diesem Morgen getragen hatte. In der Annahme, einen Artikel über Tompkinsʼ jüngsten Fahndungserfolg nach dem Dichter-Poeten oder vielleicht den neuesten Klatsch über Sterling Benton zu lesen, zog er ihn heraus und entfaltete ihn im Licht einer Kerze.
    Doch während er las, überfielen ihn der Reihe nach zuerst Überraschung, dann Erleichterung, dann Sorge. Beim Gedanken daran, dass er es Margaret erzählen musste, krampfte sich sein Magen zusammen. Kurz war er versucht, das Gespräch auf den nächsten Tag zu verschieben, doch dann ging er den Flur entlang und die Hintertreppe hinauf.
    Nathaniel war leicht verlegen, wie immer, wenn er sich hier oben im Dienstmädchenbereich aufhielt. Zum Glück hatte sein Hund ihm vor einigen Wochen gezeigt, welche der Kammern ihr gehörte. Es wäre ihm sehr unangenehm gewesen, wenn er hätte an jedes Zimmer klopfen müssen, um sie zu finden.
    Wenn sie ein echtes Hausmädchen gewesen wäre, hätte er sie rufen lassen, doch den Ruf von »Nora Garret« zu schützen, war im Moment nicht sein Hauptanliegen. Er spähte kurz den Gang hinauf und hinunter, und als er niemand sah, klopfte er leise an Margarets Tür.
    »Wer ist da?«, hörte er sie beunruhigt flüstern.
    »Nathaniel. Es tut mir leid, dich zu stören, aber ich habe Neuigkeiten …«
    Die Klinke bewegte sich nach unten, die Tür wurde ein paar Zentimeter geöffnet, das Gesicht und die Gestalt von Margaret Macy im Nachthemd erschienen im Türspalt. Plötzlich klopfte ihm das Herz bis zum Hals, seine Lippen öffneten sich. Natürlich wusste er, dass sie es war, doch irgendwie war es einfacher gewesen, mit ihr als Nora zu sprechen. Nun stand sie da, im Licht der Kerze auf dem Nachttisch. Keine altmodische Haube, keine dunkle Perücke, keine nachgezogenen Brauen, keine Schürze. Er genoss den Anblick.
    Sie blickte verlegen an sich herunter. »Tut mir leid, aber ich war im Begriff, ins Bett zu gehen.«
    »Das ist doch völlig in Ordnung. Es ist einfach nur eine Überraschung, dich so zu sehen.«
    Sie senkte den Kopf und spielte nervös mit dem Ende ihres Zopfes.
    Er konnte nicht anders. Er trat vor und umschloss ihre Hand und den blonden Zopf, den sie hielt.
    »Ich hatte fast vergessen, wie blond dein Haar ist.«
    Lügner , schalt er sich im Stillen. Er wünschte sich, das Band abnehmen, den Zopf lösen und mit den Fingern durch die seidige Mähne fahren zu können. Er schluckte.
    Ein Stück weiter vorn im Flur wurde eine Tür zugeschlagen. Beide zuckten zusammen.
    »Vielleicht solltest du einen Moment hereinkommen«, flüsterte sie.
    Er zögerte, aber er war ihr so nah, dass ihn sein gesunder Menschenverstand und sein Sinn für Schicklichkeit im Stich ließen. Er trat ein, schloss die Tür hinter sich und stand dann einfach nur noch da und starrte sie an wie ein Idiot.
    »Du hast Neuigkeiten?«, soufflierte sie.
    Hatte er die? Er wusste es nicht mehr. Er schaffte es gerade noch, sich nicht vorzubeugen, sie in die Arme zu schließen und zu küssen. Er sah, wie ein Kälteschauer sie überlief, und wurde sich seiner eigenen Gänsehaut bewusst.
    »Es ist kalt hier oben«, sagte er. Dann zwang er sich, den Blick von ihr abzuwenden. Er sah sich in dem kleinen Zimmerchen um. »Wie seltsam, dass Miss Macy in einer so schlichten Behausung wohnt.«
    »Es macht mir nichts aus.«
    »Das glaube ich dir beinahe.« Er sah sie wieder an, glitt liebevoll über ihre Gesichtszüge. »Wie sehr du dich verändert hast.«
    Sie erzitterte wieder.
    »Du frierst.« Er strich mit der Hand über ihre Schulter, glitt langsam an ihren Armen herunter, über die Ärmel ihres Morgenrocks.

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