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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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stieg er aus und band die Pferde in der Nähe der Kais fest. Dann wandte er sich zum Fluss um und blieb abrupt stehen. Er traute seinen Augen nicht. Flammen und dichter Rauch stiegen aus der Ecclesia auf. Gütiger Gott! Und jetzt?
    Er rannte zum Schiff hinunter. Seine Stiefel hämmerten im Takt mit seinem Herzen auf die hölzernen Planken. Neben dem dreimastigen Handelsschiff lag ein kleines Beiboot. An den Rudern warteten mehrere Männer, bereit, jeden Moment die Flucht zu ergreifen. Dies war kein Unglück, sondern ein vorsätzlicher Angriff. Wo war Hudson? Allmächtiger Gott, mach, dass Hudson nichts passiert ist!
    Nathaniel lief den Landungssteg entlang, ohne auf Flammen und Rauch zu achten. Wenn er wenigstens ein paar von den Männern an Bord gelassen hätte! Wo war die Flusspolizei? Sie sollte doch eigentlich Raubüberfälle und Vandalismus verhindern. War ein Hafenarbeiter – oder vielleicht sogar ein Mitglied der Flusspolizei – bestochen worden?
    Am Besanmast leckte bereits das Feuer hoch. Nathaniel lief zur Backbordreling und blickte auf das Beiboot hinunter. Es war noch da.
    Er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Rache und dem Versuch, sein Schiff zu retten. Die zerlumpten Männer feixten zu ihm hinauf. Worauf warteten sie noch?
    Die Antwort auf diese Frage bekam er schon bald, denn vom Achterdeck her kam ein Mann gerannt. Er trug die Kleidung eines Gentlemans. Sein Gesicht war gebräunt, vornehm und … kam ihm bekannt vor. Nathaniels Magen krampfte sich zusammen. Himmelherrgott! Nicht er! Nicht hier!
    Nathaniel zog seine Pistole.
    Abel Preston kam schlitternd zum Stehen, ein Grinsen auf seinem hübschen Gesicht, das Nates Wut noch mehr anstachelte. »Eine Pistole? Aber nicht doch, wie unfair!« Er warf einen anzüglichen Blick auf den schmalen Säbel an seiner Seite.
    »Aber effektiv«, antwortete Nathaniel. »Wo ist Hudson?«
    Preston deutete mit dem Kinn zum Heck. »Schläft fest, der Ärmste. Wir sollten ihn rausholen, bevor der Rauch ihn umbringt.«
    Nathaniel machte eine Bewegung mit der Pistole. »Sie gehen voran.«
    »Aber gern!« Preston trat vor, als wollte er der Aufforderung nachkommen, doch dann drehte er sich plötzlich um und griff Nathaniel mit dem Säbel an. Nates Pistole schlitterte über das Deck und rutschte unter eine Palette mit Zuckersirupfässern.
    Nathaniel zog ebenfalls seinen Säbel und stach zu. Mehrere Minuten lang fochten die beiden Männer stumm. Dann trat Preston einen Schritt zurück. Jetzt umkreisten sie einander argwöhnisch.
    Nathaniel keuchte: »Deshalb also haben Sie Barbados verlassen?«
    Preston grinste. »Ja, und ich bin dabei, mir einen Namen zu machen.«
    »Das ist mir offenbar entgangen. Seit Sie weg waren, hat mir gegenüber niemand mehr Ihren Namen erwähnt.«
    »Weil ich einen neuen Namen habe.« Preston verneigte sich spöttisch und deklamierte: »Sie nennen mich den Piraten-Dichter und manchmal auch den Dichter-Piraten. Die Launen des Ruhms verlangen nach einem Namen von Klange.«
    Nathaniel zuckte zusammen. Er erinnerte sich an mehrere Inselgemeinschaften, die dieser Mann aufgesucht hatte – ohne seine angetraute Gattin. Dort hatte er versucht, die Damenwelt mit seinen überaus langatmigen Gedichten zu beeindrucken. Nathaniel hatte zwar Geschichten über einen »Piraten« mit lyrischen Ambitionen gehört, das Ganze jedoch für eine Legende gehalten. Niemals hätte er Preston hinter dieser Legende vermutet. Aber irgendwie ergab es einen Sinn. Dieser Geck hatte schon immer gern Gedichte verfasst. Preston hatte fraglos mehr Zeit damit verbracht, sich holprige Verse auszudenken, als seine Plantage zu beaufsichtigen – wenn er nicht gerade seine Sklaven misshandelte. Kein Wunder, dass er als Pflanzer versagt hatte.
    Doch in einer Sache war er schon immer gut gewesen – er konnte mit dem Säbel umgehen. In diesem Augenblick machte er einen blitzschnellen Ausfall. Nathaniel setzte sich zur Wehr, aber all seine Streiche wurden mit Leichtigkeit pariert. Er kämpfte mit verbissener Energie, während ihm zunehmend bewusst wurde, dass er Preston mit dem Säbel unterlegen war. Wenn Hudson oder der Himmel ihm nicht zu Hilfe kamen, würde er verlieren. Der Schweiß strömte ihm über das Gesicht. Er hatte Angst, aber dieser Mann würde ihn nicht in die Knie zwingen! Allmächtiger Gott, hilf mir!
    Preston schlug Nathaniel den Säbel aus der Hand, griff erneut an und stieß ihm die Füße unter dem Leib weg. Nathaniel landete mit einem dumpfen Laut auf

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