Die Magd von Fairbourne Hall
konnte nicht.«
»Ich wollte gerade rein. Isʼ sie böse?«
Margaret dachte an Helens misstrauisches Gesicht. »Nein, böse ist sie nicht.«
»Hast du ihr gesagt, dass Betty …«
»Ich habe nur gesagt, dass wir ein bisschen hintendran sind mit der Arbeit und dass ich ihr deshalb heute Morgen helfe, das war alles.«
»Ein bisschen hintendran? Das hast du ja toll gesagt! Der gehtʼs doch hundsmiserabel, schweineelend ist ihr! Hat sich die Kante gegeben, das hat sie!«
»Nun …« Margaret machte eine hilflose Geste.
»Willst du etwa sagen, dass du der Herrin beim Ankleiden geholfen hast?«
»Ja.«
»Vielleicht sollte ich reingehen und nachgucken …«
Margaret legte die Hand auf Fionas Arm. »Mit der Herrin ist alles in Ordnung. Sie ist gewaschen, angezogen und frisiert.«
Fiona seufzte erleichtert auf, dann murmelte sie: »Das ist mehr, als ich von Betty sagen kann.«
»Hast du sie gesehen?«
Fiona nickte. »Ich habʼ gerade nach ihr geguckt. Sie schläft fest. Du hättest es mir sagen sollen.«
»Du hattest selbst genug zu tun.« Margarets Magen knurrte; sie wandte sich ab. Es war Zeit für die Morgenandacht.
Zum Glück schien niemand Bettys Fehlen zu bemerken. Danach gingen Margaret und Fiona hinauf, um die Schlafzimmer zu putzen. Als Fiona später kam und ihr beim Bettenmachen half, war Betty immer noch nicht aufgetaucht.
»Die Ärmste«, sagte Fiona und schüttelte das gelüftete Bettzeug aus. »Sie war gestern völlig fertig. Sie macht sich Sorgen um ihre Mutter.«
»Ihre Mutter? Ich dachte, die lebt nicht mehr.«
Fiona runzelte die Stirn. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
Margaret holte tief Luft. »Sie hat mir die Chatelaine ihrer Mutter gezeigt, deshalb nahm ich an …« Mit einem Achselzucken ließ sie den Satz unbeendet.
»Sie ist nicht tot, aber sie arbeitet nicht mehr. Sie ist krank.« Fiona ging auf die andere Bettseite und half ihr, die Laken glatt zu ziehen. »Mrs Tidy war eine gute Haushälterin, bis ihre Gesundheit nicht mehr mitmachte und sie nicht mehr arbeiten konnte. Sie hatte einen Schlaganfall, die Ärmste, und jetzt braucht sie ständige Pflege. Sie lebt bei einer Witwe in Maidstone und Betty muss mit ihrem Lohn für sie beide sorgen.«
»Hat sie deshalb ihre Chatelaine verkauft …?«, fragte Margaret erschrocken.
Fiona sah sie an. »Hat sie es jetzt doch gemacht? Und woher weißt du das?«
»Ich habe sie gestern im Laden des Krämers gesehen.«
»Da hat sie sie also hingebracht? Sie hat mir gar nichts davon gesagt. Ich habe mich schon gefragt, woher sie das Geld für den Alkohol hatte. Muss also genug gebracht haben, um für ihre Mutter zu sorgen und auch gleich ihre Sorgen im Alkohol zu ertränken.«
»Aber sie hätte doch bestimmt erklären können …«
»Ihrer Mutter, der unfehlbaren Haushälterin, die in ihrem ganzen Leben keinen einzigen Fehler gemacht hat? Ihr sagen, dass ihr Lohn gekürzt wurde? Nicht Betty. Die hat auch ihren Stolz!«
Margaret zuckte zusammen. »Aber jetzt hat sie ihren liebsten Besitz nicht mehr.«
»Und wer ist schuld daran? Dein schönes Gerede bringt ihn nicht zurück, also tu nicht so hochnäsig!«
»Tu ich doch gar nicht!«
Fiona warf ihr einen Seitenblick zu. »Du warst also gestern in Weavering Street, aber zu uns wolltest du nicht?«
»Ich wollte ja, aber …«
Mrs Budgeon steckte den Kopf herein. »Hier steckt ihr! Ich komme gerade aus dem grünen Schlafzimmer. Warum ist das Bett noch nicht gemacht? Es ist schon fast elf.«
Margaret sah Fiona an, doch Fiona hielt den Blick starr auf das Kissen gerichtet, das sie in der Hand hatte.
»Es ist meine Schuld, Maʼam«, sagte Margaret. »Ich bin immer noch ein bisschen in Verzug, aber ich hole es schon noch auf.«
»Das solltest du auch!« Sie wollte gehen, doch dann fügte sie noch hinzu: »Danke, dass du ihr hilfst, Fiona.«
Fiona nickte.
Mrs Budgeon fragte: »Habt ihr Betty gesehen?«
Fiona sah Margaret an.
Margaret zögerte. »Äh … ja. Ich habe sie zuletzt in einem der anderen Schlafzimmer gesehen.« Das stimmte sogar irgendwie, auch wenn es ihr eigenes Schlafzimmer gewesen war.
»Wenn ihr sie seht, sagt ihr, dass ich sie sprechen will.«
In diesem Augenblick tauchte Betty in höchster Verlegenheit in der Tür auf.
»Hier bin ich, Mrs Budgeon. Es tut mir furchtbar leid …«
Die Haushälterin sagte: »Du bist dafür verantwortlich, dass die anderen Mädchen ihre Arbeit tun, aber Nora ist nicht mehr neu und muss lernen, selbst rechtzeitig fertig zu werden. Du
Weitere Kostenlose Bücher