Die Maggan-Kopie
gehörten längst der G e schichte an.
Im Osten ragte eine niedrige Bergkette aus der Ebene. Am Abend erreichten sie die ersten Ausläufer der Hügel und das Ufer des Sees wurde steil. Die sonst nur niedrige Vegetation wurde jetzt von einem struppigen Birkenwald abgelöst. Die Birken waren aber nur von geringer Höhe, kaum doppelt so groß wie ein Mensch. Die Blätter der Bäume leuchteten gelb und die weißen Stämme refle k tierten die Rottöne des Sonnenuntergangs. Der Boden war mit moos- und flechtenbewachsenen Findlingen übersät, die sich oftmals zu großen Haufen türmten, unter denen kleine Höhlen verborgen waren. Sie mussten jeden Schritt genau überlegen, damit sie nicht in die Spalten der Felsblöcke rutsc h ten.
Das Steilufer des Sees türmte sich rechts von Maggan und Svenja immer h ö her auf. Sie mussten große Felsbrocken umgehen, die sich daraus gelöst hatten und nun wie bizarre Skulpturen das Ufer säumten. Ein unangene h mer Gestank lag in der Luft. Je weiter sie gingen, umso stärker wurde er. Als sie um einen großen Felsbrocken herum geklettert waren, lagen vor ihnen zwei oder drei tote Ti e re. So genau war das nicht mehr festzustellen. Es war ein Gewirr aus Fell, Kn o chen und langen Beinen mit Hufen. Angewidert standen die Frauen davor. Das Fell der Tiere war grau. Die Schädel waren nicht zu s e hen, aber es müssen Elche gewesen sein. Wahrscheinlich sind sie bei einem Unwetter von der Felswand, die sich rechts über ihnen auftürmte, gerutscht und zu Tode gestürzt. Fliegen saßen schillernd und summend auf den Kad a vern. Maggan und Svenja tasteten sich vorsichtig an diesem grausigen Fund vorbei – immer bemüht den Tod nicht zu berü h ren.
Plötzlich ergoss sich aus dem Nichts ein dröhnendes Geräusch über ihnen. Instinktiv sprangen sie in eine Mulde zwischen den Felsen. Ein großer Hu b schrauber mit Tandemrotor schoss im Tiefflug über sie hinweg und verschwand im Osten in den Bergen. Als sie aus der Felsmulde herausgekrochen waren, konnten sie ihn zwar noch hören, aber er war schon aus ihrem Blickfeld verschwunden. Angst durchzuc k te Maggan und Svenja.
Wurden sie hier gesucht? Woher wussten sie, dass sie hier waren? Hatte Kenny sie verraten? Oder hatten sie ihn gezwungen es zu sagen? Maggan wa g te nicht, den Faden weiterzuspinnen. Nein! Sie durfte nicht daran denken. Sie hatten nur eine Chance: positiv denken! Ansonsten könnten sie g e nauso gut in den nächsten Fluss oder den See springen, dessen östliches Ende sie von hier aus schon sehen konnten. Oder sie könnten die Pistole benutzen, die Kenny ihr gegeben hatte. Nein, nein, nein, so etwas durfte sie nicht denken. Es geht weiter. Es gibt Hoffnung. Es durfte nicht alles u m sonst gewesen sein. Für was lebte sie denn sonst? Was hatte das Leben für einen Sinn? Gab es überhaupt einen Sinn? Sie hatte jetzt gerade ihren Sinn darin gefunden Svenja ein besseres Leben zu ermöglichen. Also weiter und positiv de n ken!
Die Angst wollte nicht weichen und Maggan zitterte. Auch Svenja sah geschockt aus und ihre Blicke sagten, was sie befürchteten. Sie hielten sich fest in den Armen und beruhigten sich langsam wieder. Maggan musste an Merc e des denken und an Harry. Diese Menschen gingen über Leichen. Dann blickte sie zurück zu dem Haufen toter Tiere.
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Maggan.
„Ich weiß nicht“, antwortete Svenja und blickte verschreckt in die Ric h tung, in der der Hubschrauber verschwunden war.
„Sollen wir weiter nach Osten gehen, und den See dort umrunden, oder sollen wir lieber nach Westen gehen?“
„Im Osten könnten sie auf uns lauern“, meine Svenja.
„Doch Richtung Westen verlieren wir mindestens noch zwei Tage“, wandte Maggan ein.
Svenja überlegte. „Vielleicht hat der Helikopter gar nicht nach uns gesucht“, spekulierte sie.
„Es war ein Transporthubschrauber. Wäre ein bisschen groß für eine Jagd“, entgegnete Maggan mit einem gezwungenen Lächeln. Es war eine schwierige Entscheidung. Was war ihr Ziel, ihre Priorität? Maggan dachte nach.
„Wir sollten uns nicht unnötig in Gefahr bringen. Doch falls wir nicht rechtzeitig zum Treffpunkt kommen, sitzen wir in dieser Einöde fest. Ein Winter hier im Norden ist hart.“
„Ich kann mir darunter nichts vorstellen“, entgegnete Svenja mit einem ti e fen Seufzer. Maggan wurde einmal mehr b e wusst, welche Kleinigkeiten Svenja nicht kannte. Es erschreckte sie, doch für Svenja waren das neue, aufregende Abente u
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