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Die Magie Des Herrschers

Die Magie Des Herrschers

Titel: Die Magie Des Herrschers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Königreich Barkis
    (ehemals Tûris),
    Ammtára (ehemals die Verbotene Stadt),
    Winterende 458/59 n. S.

    N achdenklich drehte und wendete Pashtak das beigefarbene Stück Stoff, das er in der Grabkammer gefunden hatte, in seiner Hand. Der schwache Geruch von Verwesung, der anfangs von dem Leinen ausgegangen war, war verflogen.
    Der Inquisitor hatte zunächst angenommen, der Duft stamme von dem Toten, doch mehr und mehr erinnerte er sich an eine ganz bestimmte Besonderheit, die ihm bei anderer Gelegenheit aufgefallen war – an einer lebenden Person, die in der Versammlung der Wahren nur einige Plätze von ihm entfernt saß.
    Damit untermauerte sich seine These, dass Lakastre etwas mit dem Fleischraub an den Leichen zu tun hatte. Pashtak glaubte nicht daran, dass die Witwe dem Kadaver ihres Mannes in aller Heimlichkeit ihre Ehre erwies, indem sie nachts ins Mausoleum schlich und um ihn weinte. Das passte nicht zu ihr.
    Blieben die Morde, die vermutlich von einem anderen begangen wurden und die er stets einem kultischen Datum zu Ehren eines der Zweiten Götter zuordnen konnte. Drei solcher Termine waren bisher vergangen, ohne dass sich etwas ereignet hätte. Jedenfalls nicht in Ammtára.
    Und so beschloss der Inquisitor, sich in den Nachbarstädten der Nackthäute umzuhören, ob sich dort etwas Unerklärliches zugetragen hatte. Mit Braunfeld wollte er beginnen.
    Diese Entscheidung führte zu langen Disputen mit seiner Gefährtin, die ihn bereits am Galgen oder an einer Stadtmauer baumeln sah, aufgeknüpft von aufgebrachten Nackthäuten. Zu allem Unglück verfügte Pashtak über eine Statur, die sich nicht eben dazu eignete, sich unerkannt und unbehelligt zwischen den Städtern zu bewegen. Dennoch musste er es wagen, wollte er seine Theorie über die Ritualmorde bestätigt sehen.
    Mit Anbruch des neuen Tages machte er sich auf den Weg und marschierte durch die letzten Überreste des tauenden Schnees. Um ihn herum gluckerte und tropfte es; das Schmelzwasser rann in kleinen Bächen durch die Abflussrinnen und floss ab, ohne Schaden anzurichten. So erhielt das trocken gelegte Moor nicht mehr Wasser, als sich vermeiden ließ. Die Rückkehr der Mückenschwärme im Frühjahr und ein neuerlicher Ausbruch des Sumpffiebers sollten auf diese Weise vermieden werden.
    Bis zum Abend bewältigte er die halbe Strecke und rastete am Rand einer Weggabelung im Schutz eines Baumes. Er entfachte ein Feuer und packte das gebratene Fleisch aus, das ihm die besorgte Shui mitgegeben hatte. Hungrig wärmte er es kurz an und schlug die spitzen Zähne in das Stück. Kauend stellte er sich die Frage, was an Menschenfleisch so besonders war, dass man es unbedingt essen musste. Versuchen wollte er es nicht, denn ihm spukte die Angst im Kopf herum, er könnte wie die Nymnis Gefallen am Geschmack finden.
    Grübelnd verzehrte er seine Ration. Da er noch immer nicht ganz satt war, fing er sich ohne viel Aufwand einen unvorsichtigen Schneehasen und röstete ihn über den Flammen. Seine Jagdinstinkte nutzten ihm immer noch, auch wenn das bequeme Leben in Ammtára ihn träge werden ließ. Da er zu hungrig war, um länger zu warten, machte er sich über die halbgare Beute her. Dunkler Bratensaft lief ihm das Kinn herab.
    Ein einzelner Reiter näherte sich im Halbdunkel und zügelte das Pferd, als er den Feuerschein sah.
    »Verzeih, kannst du mir sagen …« Der Mann, der ganz den Eindruck eines Boten machte, wollte sich nach dem Weg erkundigen und zuckte erschrocken zusammen, als er erkannte, was er da vor sich hatte. Seine Blicke hefteten sich auf den blutigen Schnee, die linke Hand ruckte an den Griff seines Rapiers.
    Pashtak wollte etwas erwidern und öffnete den Mund. Zwischen den spitzen Zahnreihen hingen noch Reste des Hasen.
    Das Pferd, vom Eigengeruch des Inquisitors verschreckt, machte einen Satz zur Seite. Mit Mühe hielt sich der Reiter im Sattel. »Verdammte Bestie«, fluchte er und preschte die Straße entlang.
    »Ich hoffe, du hast deinen Gaul gemeint«, rief Pashtak ihm hinterher und sprang auf die Beine. Mit einer Hand wischte er sich die dunkelrote Flüssigkeit von den Lippen und vom Fell. Das hat ja hervorragend gepasst , ärgerte er sich. Die dumme Bestie sitzt fressend im Schnee. Gleichzeitig empfand er die Reaktion des Unbekannten als unangemessen. »Ich bin ein Bürger Tarpols wie du!« Mögen ihn irgendwelche Menschenfresser erwischen.

    Die Nacht verlief ereignislos, nur gelegentlich rollten und rumpelten Fuhrwerke an seinem

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