Die Magie Des Herrschers
sie in diesem Augenblick; sie spürte seine Anwesenheit.
»Govan, lass den Unsinn«, gab sich Zvatochna vorwurfsvoll. »Wie kann man nur seiner eigenen Schwester nachstellen?« Schnell griff sie nach ihrem seidenen Nachthemd und warf es sich über. Die Umrisse ihres Körpers blieben weiterhin sichtbar, jede noch so kleine Einzelheit zeichnete sich durch den fließenden Stoff ab. Die gelockten Haare umrahmten ihr Antlitz und fielen sanft auf ihre Schultern.
Ein leises Lachen kam aus der Richtung des Eingangs.
»Verzeih mir, aber nenne mir einen Mann in Ulsar, der dir widerstehen könnte, Schwester!« Der Tadc streckte den Kopf durch den Türspalt. »Und die Gelegenheit war gerade so günstig.« Er lief auf sie zu und umarmte sie; glücklich drückte er sie an sich und stöhnte auf. »Es tut gut, dich zu sehen. Wir müssen zusammenhalten, nachdem der Kabcar unsere Mutter nach Granburg verbannt hat.«
Sie entwand sich elegant seiner aufdringlichen, ganz und gar nicht brüderlichen Liebkosung. Doch sie würde nicht den Fehler begehen und es sich mit ihrem Bruder verderben, dafür war sie zu berechnend. Govan, das war ihrer Ansicht nach unvermeidlich, würde als Erstgeborener den Thron Tarpols besteigen. Und sie hatte nicht vor, jenen Augenblick irgendwo in der Verbannung zu verbringen. Daher nutzte sie seine Schwäche ihr gegenüber für sich aus. »Ich wollte zu Bett gehen und noch ein wenig in den Büchern lesen, die Mortva mir gegeben hat.«
Sie eilte zum Bett und verschwand bis zur Hüfte zwischen den Laken.
Der junge Mann schlenderte ihr hinterher, setzte sich zu ihr auf die Bettkante und nahm eines der Werke zur Hand. »›Moderne Abhandlung über Feldschlachten‹«, las er den Titel und reichte ihr das Buch. »Wird dir diese Lektüre süße Träume bescheren, geliebte Schwester? Wie viele Bücher dieser Art hast du gelesen?«
Zvatochna lächelte ihn an, ein gewinnendes Strahlen, das wie das Geschoss eines Meisterschützen mitten ins Ziel traf und einen Scheit mehr in das Feuer legte, das im Herzen ihres Bruders für sie brannte. »Es dürften ihrer um die dreißig sein«, schätzte sie, während ihre Finger über seinen Handrücken streichelten. »Aber sie sind veraltet. Unser Heer verfügt über Waffen, die in keinem Standardwerk aufgeführt sind. Ich werde also eine völlig neue Strategie gegen die Kensustrianer aufstellen müssen.« Sie zuckte mit den Schultern, woraufhin das Nachthemd links ein wenig mehr herabrutschte. »Aber das ist kein Problem.«
»Vater hat beschlossen, den Grünhaaren noch eine Frist zu geben, bis er seine unsinnigen Gedanken über das neue Ulldart geordnet hat«, erklärte Govan, dessen braune Augen sich auf die weiße Haut seiner Schwester hefteten. »Du wirst dir alle Zeit nehmen können, die du brauchst.«
»Ich weiß nicht, ob ich es überhaupt tun soll«, sagte sie verärgert. Sie öffnete die Hand, und der Kamm bewegte sich mittels Magie durch die Luft zu ihr. »Ich soll die Truppen zum Sieg führen, damit wir anschließend all unsere Macht verlieren, die wir uns mit so viel Blut erkämpft haben? Dafür hat unsere Mutter sich nicht all die Jahre mit dem Kabcar geplagt.«
Aber ehe der Kamm sie erreichte, umschlossen Govans Finger den Griff. Wortlos machte er sich daran, die schwarzen Locken seiner Schwester zu pflegen. »Ich weiß, wie du empfindest«, stimmte er Zvatochna schmeichelnd zu. »Und auch ich bin nicht einverstanden mit dem, was unser Erzeuger beabsichtigt.«
Ihre Blicke trafen sich, und beide lasen bei ihrem Gegenüber die gleichen Gedanken. In stillem Einvernehmen lächelten sie sich an. Der Tod ihres Vaters war beschlossen.
»Und wie sollen wir es bewerkstelligen?« Die Tadca drehte ihrem Bruder den Rücken zu, damit er besser an ihre Haare herankam. »Er ist kein Anfänger, was den Umgang mit Magie anbelangt.«
»Er ist mächtig. Ich bin ihm jedoch überlegen«, beruhigte Govan sie, der völlig in seiner Arbeit versunken war. »Tzulan ist mit mir.« Beinahe andächtig führte er den Kamm durch die Strähnen, berührte die Haare feierlich und nahm ihren Geruch in sich auf.
»Wir können ihn nicht einfach vernichten«, warf Zvatochna ein. »Wir müssen uns etwas ausdenken, was ihn uns für alle Zeiten vom Hals schafft und uns dabei nicht als Vatermörder vor dem Volk dastehen lässt. Er ist eine verehrte, ja geradezu vergötterte Berühmtheit im Reich, eine Ikone, und sein Tod wird die Menschen zunächst lähmen. Fordern wir ihren Zorn und ihren Hass
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