Die Magie Des Herrschers
Schlafplatz vorüber, die offenbar zum Markt der Stadt wollten, um ihre Waren anzubieten.
Am Morgen, als Pashtak sich auf den Weg machte, sprach ihn einer der Kutscher freundlich an, wohin er denn wolle und ob er ihn mitnehme solle. Dankend und überrascht nahm Pashtak die Mitfahrgelegenheit wahr und saß bald zwischen schaukelnden und hüpfenden Sauerkrautfässern, aus deren Deckeln ein penetranter Geruch entwich.
Braunfeld, das er von einer kleinen Anhöhe aus betrachtete, wirkte im Schein der nachmittäglichen Sonnen kleiner als Ammtára. Die dicken Mauern, die einer Festung alle Ehre gemacht hätten, bewiesen ihm, wie sehr die Menschen seine Art gefürchtet hatten und wohl noch immer fürchteten. Daran konnten alle Gesetze und Erlasse des großmütigen, fortschrittlichen Kabcar nichts ändern. Zu lange hatten die Turîten Jagd auf seinesgleichen gemacht, zu lange waren sie selbst von seinesgleichen gejagt und überfallen worden.
Der Wächter in der Uniform der hoheitlichen Truppen machte dem Inquisitor beim Betreten Braunfelds keinerlei Scherereien. Vom Tor aus wollte Pashtak zu Fuß gehen, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Sein letzter Besuch in einer Siedlung von Nackthäuten musste Jahrzehnte her sein; es war in Tarpol gewesen, wo er einer Nackthaut namens Torben Rudgass in Ludvosnik das Leben bewahrt hatte. Was er wohl macht?, fragte er sich in Gedanken.
Sein zufälliger Weg führte ihn durch Straßen und Gassen, vorüber an Menschen, die ihn entweder ignorierten oder ihm einen misstrauischen Blick zuwarfen. Früher wäre er gewiss nicht einmal durchs Tor gekommen.
Schließlich kam er an einem Haus vorbei, bei dessen Anblick ihn ein Schauder überlief. Es war ein Fachwerkhaus; an den Balken des untersten Stockwerks hatte der Besitzer die skelettierten Schädel seiner Artgenossen genagelt. Die Köpfe der »Nimmersatten« waren ebenso vertreten wie die der Nymnis und weiterer Sumpfkreaturen.
Pashtaks Schritte wurden langsamer. In dem unsäglichen Schrecken lag eine Faszination, der er sich nicht erwehren konnte.
Wie lange er so dastand und auf die bleichen Knochen starrte, wusste er nicht. Irgendwann öffnete sich die Tür. Ein kräftiger Mann in einem ramponierten Kettenhemd und mit einem Schwert um die Hüfte trat heraus, sah den Inquisitor und stockte.
Pashtak roch das Adrenalin, das durch die Adern des Unbekannten pumpte, und die Aggression, die schlagartig von ihm ausging. Wenn gleich ein Angriff erfolgen würde, so wäre er nicht verwundert. Nach mehreren Augenblicken entspannte sich der Körper des Mannes. Er spuckte in die Gosse und betrachtete abschätzend das Gesicht des Inquisitors, um daraufhin zur Hauswand zu schauen. Sein Zeigefinger ruckte nach rechts.
»Deine Sorte hängt da drüben«, rief er ihm verächtlich zu. »Und es würden noch mehr da angenagelt sein, wenn es nach mir ginge.« Lachend schritt er die Straße hinab.
Pashtak schüttelte sich und lief in die entgegengesetzte Richtung. Was sie wohl sagen würden, wenn wir Ammtára mit ihren Köpfen statt mit Steinen pflasterten?
Schließlich fand er das Quartier der hoheitlichen Wache und trat ein. Am Ende eines langen Korridors thronte ein Beamter auf einem erhöht stehenden Schreibtisch, die Füße aufs Pult gelegt, und schnarchte. Nach rechts zweigte eine Tür ab.
Lautlos pirschte sich der Inquisitor an den Mann heran. »Verzeiht, seid Ihr der Kommandeur?«
Der Mann in der grauen Uniform zuckte zusammen und blickte sich suchend um. Die gedrungene Gestalt der Sumpfkreatur machte es ihm unmöglich, den Besucher sofort zu entdecken. Erst als Pashtak seine Frage wiederholte, bemerkte ihn der erstaunte Beamte.
»Wenn es darum geht, Beschwerden wegen Belästigungen, Beschimpfungen oder andere Verletzungen des Gleichstellungsediktes durch den hoheitlichen Kabcar des Großreichs Tarpol, Lodrik Bardri, aufzunehmen, bist du bei mir an der richtigen Stelle«, leierte er seine anscheinend auswendig gelernte und wenig engagiert vorgetragene Passage herunter, zückte dabei eine Schreibfeder und nahm ein neues Blatt aus der Schublade. »Art und Ort des Vorfalls?«
»Nein, nein, Ihr versteht mich falsch«, erklärte Pashtak freundlich und bemühte sich zu lächeln, ohne dass die Reißzähne allzu weit hervorstanden. »Ich bin Inquisitor Pashtak von der Versammlung der Wahren aus Ammtára und nach Braunfeld gereist, um Untersuchungen anzustellen.«
»Ist denn das die Möglichkeit?« Erheitert legte der Beamte das Schreibgerät zur
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