Die Magie Des Herrschers
Gläubigen waren gegangen. Ächzend ließ er sich auf einen Stuhl sinken und rieb sich die Stelle am Bein, wo der Stumpf in der Prothese saß. »Es wird ein harter Winter, wenn ich meine Narben so zu mir sprechen höre. Aber dank der Gnade von Kalisstra und Ulldrael dem Gerechten kann es den Menschen in Bardhasdronda gleichgültig sein. Die Süßknolle bietet allen Nahrung.«
Fatja gab dem betagten Mann einen Kuss auf das schüttere graue Haar. »Das hast du gut gemacht.«
»Der Dank gebührt dir gleichermaßen«, erwiderte der Geistliche, fasste ihre Hände und drückte sie. »Wenn du damals den Sack mit den wenigen Knollen nicht gepackt hättest, wäre unser Schicksal anders verlaufen. Der Gerechte hat dir die Jute im rechten Augenblick zwischen die Finger geraten lassen.« Matuc ließ sie los, um den von Lorin dargebotenen Tee anzunehmen. »Und du, junger Mann, tätest gut daran, dich mehr mit Ulldrael zu beschäftigen, als durch die Wälder zu springen. Überlass das den Eichhörnchen. Bald sind die Kalisstri gläubiger als du.« Er strahlte in die Runde. »Neunzehn Männer und Frauen haben sich zu ihm bekannt. Welch ein Erfolg. Noch vor einem Jahr haben sie uns geschmäht.«
»Das Blatt kann sich ganz schnell wenden«, warnte Fatja. »Die Hohepriesterin hat es ja auch erreicht, dass man das Wunder der Süßknollen weniger dem Gerechten als dem Zufall anrechnet.«
»Und Soini gibt uns immer noch die Schuld daran, dass die Pelztiere nicht zu fangen sind«, krähte Lorin dazwischen.
»Die wahren Gläubigen haben die Gnade Ulldraels erkannt«, entgegnete Matuc. »Und sie sind es auch, die mit Hingabe in den beiden Pflanzhäusern die gesetzten Knollen hegen und pflegen. Bardhasdronda wird schon bald so weit sein, dass wir die Erdfrüchte an andere verkaufen können. Nahrung und Reichtum, und das alles nur durch eine einzige Pflanze.« Und mit der Knolle verbreitet sich ein neuer Glaube. »Ich sollte sie eigentliche Ulldraelknolle nennen«, überlegte er laut. »Damit streuen wir den Namen des Gerechten bis in die entlegensten Winkel des Kontinents.«
»Und was ist mit dem anderen Land?«, wollte Lorin wissen, zückte sein Schwert und übte ein paar Schläge. »Meiner Heimat? Gehen wir da eines Tages auch wieder hin?«
Matuc und Fatja wechselten einen schnellen Blick.
»Wir sind uns nicht sicher, wann wir mit dir zurückkehren sollen«, gab die Frau zur Antwort. »Wir bekommen kaum Nachricht von Ulldart. Und der Zeitpunkt, tja …« Sie hob die Achseln. Eine Vision wäre nicht schlecht.
»Waljakov hat erzählt, er habe gehört, wie sich zwei Palestaner darüber unterhalten haben, dass sie bald zusammen mit den Truppen des Kabcar ein Land erobern wollen und dann unendliche Reichtümer und Geheimnisse besitzen werden«, teilte er die Neuigkeiten mit.
»Kensustria«, seufzte Matuc und erhob sich, um in den Hauptraum zu wechseln. »Jetzt fallen sogar die Grünhaare unter die Knute deines Vaters. Ich hätte niemals gedacht, dass er es schafft.«
Arnarvaten betrat nach kurzem Anklopfen das Boot und wurde von allen freudig begrüßt. Die Liebkosung von Fatja fiel etwas knapp aus, was er mit einem Stirnrunzeln wahrnahm.
Sie bemerkte ihren Fehler, schaute auf die Dielen, schob sich aus seinen Armen und verschwand in die Küche, um Tee für den Gast zu holen.
Am besorgten Gesicht des Geschichtenerzählers erkannte Lorin, dass der Kalisstrone sehr wohl etwas von dem erahnte, was im Herzen der jungen Frau vorging.
Schon allein deswegen muss ich ihn ein bisschen ablenken, dachte er und stellte sich mit einem gewinnenden Lächeln vor den Mann. »Ich habe eine Frage«, eröffnete er dem Geschichtenerzähler. »Auf dem Markt unterhielten sich zwei Männer darüber, dass im Wald seltsame Steine stehen sollen, die Töne machen, wenn man dagegen schlägt.«
Arnarvaten sah noch einen Augenblick hinüber zur Küche, ehe er aus seinem Mantel schlüpfte und auf einem Stuhl Platz nahm.
»Oh, das ist keine Legende. Sie gibt es wirklich. Irgendwo.« Er tat sich schwer, in die richtige Erzähllaune zu kommen, rutschte auf der Sitzfläche hin und her und ließ den Durchgang zu der Kochnische nicht aus den Augen. »Vor mehr als fünfhundert Jahren entdeckten die Menschen aus Bardhasdronda die ›Klingenden Steine‹ auf einem freien Feld. Und sie entdeckten auch, welche Eigenschaften die merkwürdigen Steine hatten, von denen keiner wusste, wer sie dort abgelegt hatte. Nur die wenigsten konnten ihnen richtige Töne entlocken; bei
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