Die Magie Des Herrschers
das Gefäß. Enttäuscht verzog er das Gesicht. »Seit wann muss man denn kochendes Wasser rühren?«
Fatja schien aus einem Traum aufzuwachen und schaute ihren kleinen Bruder verunsichert an. »Wo habe ich bloß meine Gedanken?«, ärgerte sie sich und streute Teeblätter ins sprudelnde Wasser, schob den Topf von der Platte und setzte sich. »Das kommt nur wegen euch Männern.«
Lorin feixte und reckte sich. »Hat dir jemand den Kopf verdreht?«
»Fang du auch noch an, kleiner Bruder«, fauchte sie und sprang in die Höhe.
Überrascht machte Lorin einen Schritt rückwärts. »Ich wollte nicht …«
»Dass das mir passieren muss«, schimpfte Fatja weiter, während sie die aufgequollenen Blätter abgoss und den Tee in Becher füllte. »Es hat die ganzen Jahre so gut ausgesehen, ich habe mich mit ihm wunderbar verstanden, und kein anderer kam für mich infrage.« Wütend warf sie einen Topflappen gegen die Wand. »Und dann kommt dieser Wichtigtuer Rantsila daher und macht mich völlig durcheinander mit seinen Geschenken.« Sie stemmte die Arme in die Seiten und funkelte Lorin an.
»Ich bin nicht Rantsila«, verteidigte er sich rasch, weil er fürchtete, seine Schwester könnte die Wut an ihm auslassen.
»Aber du bist ein Mann«, schnaubte sie, und ihre Augenbrauen zogen sich drohend zusammen. Dann musste sie lachen. »Na ja, fast.« Sie umarmte ihn. »Nein, kleiner Bruder, du kannst nichts dafür. Oh, die Männer mögen verflucht sein.«
»Weiß Arnarvaten denn, dass der Milizionär deine Gunst sucht?«, erkundigte Lorin sich vorsichtig. »Übrigens könntest du bei Rantsila ein gutes Wort für mich einlegen, weil ich doch bald auf den Feuerturm möchte.« Aus ihrer Umarmung wurde ein Würgegriff. »Nein, nein, es war doch nur Spaß«, beeilte er sich zu versichern. Schnell schlüpfte er aus ihren Armen und trug die Becher mit dem heißen Tee nach draußen zu den Gläubigen. Als er in die Küche zurückkehrte, goss Fatja erneut ein.
»Du wolltest doch vorhin irgendetwas erzählen«, meinte sie versöhnlich und reichte ihm einen Becher.
Eifrig nickte Lorin. »Ich war im Wald …«
»Mit Jarevrån?«, grinste Fatja ihm über den Rand ihres Gefäßes hinweg zu.
»Nein, allein«, gab er schnippisch zurück. »Aber ich habe …« Der Junge stockte. Er wollte lieber allein für die Aufklärung von Soinis Machenschaften sorgen. Seine Schwester würde sich bestimmt zu einer unpassenden Gelegenheit verplappern, wenn er sie einweihte. Dann würde sich der Milizionär, den er doch beeindrucken wollte, der Sache annehmen. Seinen eigenen Ruhm und die Anerkennung konnte er dann vergessen. »… einen Wolf gesehen«, rettete er den Satz. »Einen Schwarzwolf.« Weit breitete er die Arme aus. »So groß war das Vieh und beinahe so hoch wie ich.«
Erheitert blickte die Schicksalsleserin in seine blauen Augen. »Du hast ihn doch hoffentlich nicht umgebracht? Das wäre ein weiteres heiliges Tier auf deiner Liste. Der Gamur ist allen noch in bester Erinnerung, kleiner Bruder.« Aber sie begriff sehr rasch, dass es Lorin ernst war. »Du hast einem Schwarzwolf gegenübergestanden?«
»Das sage ich doch«, meinte der Knabe. »Aber sie sind gar nicht so gefährlich, wie Arnarvaten und du immer in den Märchen erzählen. Wir haben ein Abkommen getroffen.«
Anerkennend nickte sie. »So lobe ich mir das. Mein kleiner Bruder schließt endlich Freundschaft mit den Wesen der Bleichen Göttin. Wenn du das Kiurikka berichtest, wirst du sofort als Hohepriester eingesetzt.« Fatja stellte die Tasse ab. »Nun aber ohne Flachs. Du solltest den Wald in Zukunft meiden, wenn ein solches Untier sein Unwesen dort treibt. Ich werde den Jägern Bescheid geben. Es wundert mich, dass es noch keiner bemerkt hat.«
Mich nicht. »Ach«, winkte er leichtfertig ab. »Solange ich ihm immer etwas mitbringe, werden wir uns prächtig verstehen. Aber erzähle es bitte niemandem, sonst laufen alle in den Wald und wollen den Wolf sehen.«
Unschlüssig blickte sie ihn an. »Das glaubst du doch selbst nicht. Oder hast du die Kalisstri eine Hand ins Wasser stecken sehen, wenn ein Gamur in der Nähe auftaucht? So weit geht die Verehrung der heiligen Tiere auch wieder nicht, dass man ihnen ein Stück von sich selbst abtritt.« Fatja fuhr ihm über den schwarzen Schopf. »Also gut. Man wird ihn sowieso früher oder später entdecken. Und versprich mir, dass du immer auf einen Baum steigst, sobald du sein Heulen hörst.«
Matuc gesellte sich zu ihnen, die
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