Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
von Berce in Sicht. Da Yan es eilig hatte, zu seiner Geliebten zurückzukehren, hatte er den ganzen Weg im Galopp zurückgelegt und das Dorf schneller erreicht, als Grigán vorausgesagt hatte.
Bei seinem Aufbruch hatte Corenn ihm ermunternde Worte mit auf den Weg gegeben, der Krieger ihm letzte Ratschläge erteilt und Léti ihm ein tränenersticktes »Bis morgen« zugeraunt. Dann hatte Yan sein Pferd zu dem Weg geführt, auf den sie am Vorabend gestoßen waren, und war ihm bis zu einer größeren Straße gefolgt.
Die Beklemmung, die ihn auf den ersten beiden Meilen befallen hatte, war allmählich verflogen, vor allem, weil er niemandem begegnete. Doch nun kehrte sie mit voller Wucht zurück und lag ihm wie Blei im Magen, lähmte seine Glieder und schnürte ihm die Brust zu. Yan kannte das Gefühl: Er hatte Angst.
Obwohl er sich manchmal wie ein Niab aufführte und sich öfter einen Trottel schalt, war er alles andere als dumm. Wenn auch nur ein Bruchteil von dem stimmte, was seine Gefährten erzählt hatten - und daran zweifelte er keine Dezille -, war Berce eine wahre Schlangengrube, in der ihm eine mächtige Organisation fanatischer Mörder auflauerte.
Was konnte er schon herausfinden, außer, dass seine Gefährten den Ort besser mieden? Falls er anderen Erben begegnete, würde er sie nicht erkennen, und er durfte ohnehin niemandem vertrauen, selbst wenn jemand behauptete, zu ihnen zu gehören.
Er klammerte sich an den Gedanken, dass er einfach sein Bestes geben und am nächsten Tag zu Léti zurückkehren würde.
Das Dorf war von einer Festungsanlage umgeben - besser gesagt von einem drei Fuß hohen Mäuerchen. Es war sehr viel größer als Eza, im Grunde war es ein richtiges Städtchen. Das Tor war nicht verschlossen, aber vier Männer lungerten in der Nähe herum. Sie saßen mit dem Rücken an die Mauer gelehnt oder lagen im Gras. Es war offensichtlich, zu welchem Zweck sie da waren.
Während Yan langsam weiterritt, musterte er sie verstohlen. Sie sahen nicht wie normale Soldaten aus, denn ihre Haltung war alles andere als militärisch, und sie trugen weder Uniform, noch schienen sie besonderen Wert auf Körperpflege zu legen.
Die vier waren sogar noch schmutziger als der alte Vosder. Sie hatten struppige Bärte, dreckverschmierte Gesichter, pechschwarze Hände und trugen Gewänder, die aussahen, als hätten sie sie seit mehreren Dekaden nicht gewechselt.
Als er das Tor erreichte, stand einer der Männer auf. Yan zügelte sein Pferd und wartete geduldig, bis er bei ihm war. Den anderen drei kam er lieber nicht zu nah.
Der Widerling fragte etwas und griff beiläufig nach seinem Zügel. Yan sah die Bewegung, verstand aber kein Wort. War das ein lorelischer Dialekt?
»Ich verstehe Euch nicht«, sagte er auf Itharisch.
Ein weiterer Mann gesellte sich zu ihnen. Yan unterdrückte den Wunsch, dem ersten die Zügel aus der Hand zu reißen, im gestreckten Galopp davonzureiten und zu seinen Freunden zurückzukehren. Der zweite Mann sprach ihn auf Itharisch an.
»Bist nicht aus Lorelien, was?«
»Nee«, sagte er frech. Dann besann er sich eines Besseren und sagte höflicher: »Nein. Ich komme aus Assiora, einem Dorf des Matriarchats.«
Die beiden Widerlinge starrten ihn mit offenen Mündern an.
»Kaul!«, sagte Yan. »Das Matriarchat von Kaul! Zu Pferd ist das noch nicht einmal eine Dekade entfernt!«
Das Gesicht des zweiten Kerls hellte sich auf. Er grinste und brach in schallendes Gelächter aus. Nachdem er seinem Kumpanen Yans Worte übersetzt hatte, lachte auch dieser.
»Kommst aus dem Land der Frauen, was?«
»Dem Land der Frauen?«
»Na sicher! Da gibt’s nur Frauen: Mannweiber und Weibsmänner!«, sagte er prustend.
Yan verstand den Witz zwar nicht, war aber sicher, dass er ihn nicht lustig fand. Am liebsten hätte er seinerseits die Unhöflichkeit und mangelnde Sauberkeit der Lorelier verhöhnt, hielt sich aber gerade noch zurück. Zähneknirschend wartete er, bis die Widerlinge, die ihn nun alle umringten, zu lachen aufhörten.
Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder für ihn interessierten.
»Und warum biste hier?«
»Ich komme zum Tag der Versprechen.«
Nachdem der zweite Mann Yans Worte übersetzt hatte bebten die Schmerbäuche der Widerlinge abermals vor Lachen. In diesem Moment erkannte Yan der Sinn und Zweck eines Waffenarsenals, wie Grigán es besaß. Die Männer würden ihm gewiss mehr Ehrfurcht entgegenbringen, wenn er eine schwarze Lederkluft trüge und ein Schwert mit einer
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