Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
vier Fuß langen Klinge. Stattdessen trug er einen weißen Umhang, der Léti gehörte, und ein Band im Haar. »Damit es auch wirklich so aussieht, als gingst du auf Brautschau«, hatte Corenn augenzwinkernd gesagt. Lächerlich!
»Darf ich jetzt durch oder nicht?«, knurrte er.
»Sicher«, sagte der Mann und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Viel Glück, junger Mann!«
Yan überhörte das Gelächter in seinem Rücken und ritt durchs Tor. Gefahren und Heldenmut - von wegen! Er würde sich zwei Tage lang zum Gespött der Leute machen, so sah es aus!
Er schluckte Wut und Scham hinunter und sah sich um. Darum war er schließlich hergekommen, und je eher er damit anfing, desto schneller würde er zu Léti zurückkehren können.
In der Stadt herrschte großer Trubel. Die Vorbereitungen für den Festtag liefen auf Hochtouren, und die Dorfbewohner waren in ausgelassener Stimmung.
Berce schien ein nettes Städtchen zu sein. Die Wohnhäuser, Werkstätten und Ställe waren alt, was ihnen einen gewissen Charme verlieh. Anders als in Kaul hatten die meisten Häuser mehrere Stockwerke.
Er ritt die Hauptstraße entlang, vorbei an mehr oder minder geschäftigen Menschen. Zum Glück schenkte ihm kaum jemand Beachtung, nur einige wenige hielten in ihrer Arbeit inne und musterten ihn belustigt. Zunächst tat Yan gleichgültig, aber nach einer Weile konnte er nicht mehr an sich halten und starrte finster zurück. Schließlich riss er sich das Stirnband vom Kopf und zog den makellos weißen Umhang aus.
Kinder jeden Alters rannten in Horden durch die Straßen. Yan nahm sich vor, gut auf den Geldbeutel zu achten, den Corenn ihm mitgegeben hatte. Er hatte aus seinem Fehler gelernt; so etwas wie in Jerval würde ihm nicht noch mal passieren.
Ein Mann, der ein Pferd am Zügel führte, kam ihm entgegen. Yan beschloss, ebenfalls abzusteigen. Zu Fuß würde er weniger Blicke auf sich ziehen.
Kurz darauf erreichte er den Marktplatz. Da es in Lorelien Brauch war, an Feiertagen so wenig wie möglich zu arbeiten, waren die Vorbereitungen für das Fest schon weit fortgeschritten.
Die Einwohner hatten Tische, Bänke, Stühle, Sessel und Hocker zu einer bunten Festtafel zusammengeschoben. Neben einer Feuerstelle, die eigens gebaut worden war, türmte sich ein eindrucksvoller Holzstapel.
Aber am meisten überraschte den Jungen eine Bühne in der Mitte des Platzes. Mussten sich die Versprochenen etwa dort oben aufstellen, den Blicken aller Leute ausgesetzt? Oder, noch schlimmer: Mussten die jungen Männer etwa allein von dort oben um die Hand ihrer Angebeteten bitten? Anscheinend beging man die Zeremonie in Lorelien etwas anders als in Kaul. Yan stand vor der Bühne wie ein Kaninchen vor der Schlange und malte sich die furchtbarsten Dinge aus, als ein Mann vor ihn trat. Sein Gesicht war nur einen Fuß von Yans entfernt.
Er hatte den Mann nicht kommen gehört. Lautlos wie eine Raubkatze hatte er sich angeschlichen und starrte ihm unverwandt in die Augen.
Eine Weile hielt Yan dem Blick stand. Der Mann war kleiner als er selbst und trug ein schlichtes Priestergewand mit heruntergezogener Kapuze. Er musste etwa in seinem dreißigsten Jahr sein, aber mit dem bartlosen Gesicht und dem kahl geschorenen Schädel wirkte er jünger. Die Hände hielt er unter dem Gewand verborgen, doch das war nicht das Unheimlichste an ihm.
Das Unheimlichste war sein Blick, der Blick eines Hais. Yan hatte nur ein Mal einen Hai gesehen, den Fischer aus seinem Dorf gefangen hatten, doch diese kalten, gefühllosen Augen hatte er nie vergessen.
Natürlich waren das nur die Gedanken eines Kindes beim Anblick eines toten Tieres gewesen. Jetzt stand er einem lebenden Hai gegenüber, der sich an der Angst seiner Beute zu weiden schien.
»Verzeiht.«
Yan wandte sich so langsam wie möglich ab. Er durfte keine falsche Bewegung machen und hatte doch nur eins im Sinn: um sein Leben rennen.
Ein zweiter Hai lauerte in seinem Rücken. Der Mann stand kaum einen Schritt hinter ihm. Auch er hatte sich lautlos an ihn herangeschlichen, trug ein rotes Gewand und hatte diese Raubtieraugen. Yan erstarrte. Einen Moment lang glaubte er, eine Klinge aufblitzen zu sehen, dann verschwand die Hand des Mannes in den Falten seines Gewands.
Yan ging langsam weiter, ohne sich umzudrehen. Jeden Moment rechnete er damit, die Klinge in seinem Rücken zu spüren. Er zog sein Pferd neben sich, damit der Leib des Tieres ihn schützte. Noch immer meinte er die stechenden Blicke auf seinem
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