Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
Berce aus dem Weg zu gehen, und sei es nur, um seinen Geldbeutel zu schonen.
»Seid gegrüßt.«
Zwei Mädchen mit blonden Haaren, die Hände artig auf dem Rücken, standen vor ihm und lächelten aufdringlich. Er errötete bis in die Haarspitzen. Ihre Kleider waren sehr viel kürzer, als es für eine Kaulanerin schicklich gewesen wäre.
»Äh, seid gegrüßt«, antwortete er lahm.
»Kommst du tatsächlich aus Kaul?«, fragte eins der Mädchen mit Unschuldsmiene. Ihr starres Lächeln wirkte wie in Stein gemeißelt.
Yan runzelte die Stirn. Stand ihm das etwa ins Gesicht geschrieben? Wie sollte er seine Feinde täuschen, wenn ihn schon zwei Dorfmädchen durchschauten? »Woher wisst Ihr das?« Er konnte sich nicht dazu durchringen, sie zu duzen.
»Von meinem Onkel. Er hat es von Nuguels Cousin, und Nuguel hat dich heute am Tor von Lorelia gesehen. Er erzählt überall herum, dass du zum Tag der Versprechen hier bist, und lacht sich halb tot.«
Als sie Yan erbleichen sah, fügte sie eilig hinzu: »Ich finde das überhaupt nicht zum Lachen. Ich finde es sogar entzückend.«
Yan errötete noch tiefer. Zu dumm, er war einfach zu dumm. »Ach ja?«, war alles, was ihm einfiel.
»Kaulaner sind so … romantisch«, fuhr sie fort. »Stimmt es, dass bei euch die Frauen nicht arbeiten müssen? Dass die Männer ihnen alles abnehmen?«
Yan gab einen erstickten Laut von sich. Wollte sie ihn auf den Arm nehmen? Oder erzählte man sich das tatsächlich im Rest der Welt? »Das ist vielleicht etwas übertrieben …«, murmelte er.
»Jedenfalls ist es bestimmt besser als hier. Alle Jungen, die ich kenne, sind Fischer ohne jeden Ehrgeiz. Sie wollen den Bund nur schließen, um Kinder in die Welt zu setzen.
Aber ich sehne mich nach einer richtigen Liebesgeschichte. Ich würde das Versprechen sehr, sehr gern mit einem Kaulaner eingehen …«
Das Mädchen zwinkerte ihm vielsagend zu, wandte sich ab und tänzelte davon, ihre schweigsame Freundin im Schlepptau. Yan sah ihnen nach.
Er machte sich keine Sorgen um die Zukunft der Lorelierin, die genau zu wissen schien, was sie wollte. Was hätte Léti wohl zu der Szene gesagt? Er hatte keinen blassen Schimmer, hoffte aber, dass sie eifersüchtig geworden wäre. Allerdings wäre es dann zweifellos zu einem Streit zwischen den beiden Mädchen gekommen, vielleicht sogar zu einer Prügelei. Es war nicht Létis Art, sich alles gefallen zu lassen.
Laute Rufe rissen ihn aus seinen Gedanken. Mehrere Passanten zeigten in eine Richtung, und Yan folgte ihren ausgestreckten Fingern mit dem Blick. In zwei oder drei Meilen Entfernung blitzte ein Licht in den Hügeln auf, als spiegelten sich Sonnenstrahlen in einem Gegenstand …
Ein Trupp von zehn Reitern sprengte durch die Menge. Mindestens drei von ihnen waren Züu, wie Yan mit Entsetzen feststellte, und die anderen ähnelten den Kerlen, die an den Toren Wache hielten.
Die Mörder hatten blitzschnell reagiert. Falls der Urheber der Blinkzeichen ein Erbe war, schwebte er in höchster Lebensgefahr.
Yan könnte ihn warnen, wenn er sofort in den Sattel springen würde. Allerdings müsste er die Männer unbemerkt überholen, und dafür reichten seine Reitkünste bei Weitem nicht aus. Außerdem müsste er erst noch sein Pferd holen, wodurch er zu viel Zeit verlieren würde.
Aber er musste etwas unternehmen. Er konnte nicht tatenlos zusehen … Irgendwie spürte er, dass es wichtig war.
Kurzentschlossen hob er eine Handvoll Erde auf und rieb sie sich ins Gesicht. Dann hastete er durch die Gassen. Endlich fand er einen Glaser und erzählte ihm, er sei gestürzt und mit dem Gesicht im Dreck gelandet. Und das an einem so wichtigen Tag! Yan schimpfte über seine eigene Tollpatschigkeit und erstand einen Spiegel. Der Mann lachte gutmütig über sein Pech.
Dann suchte sich Yan eine Stelle, von der aus er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte. Vor einem leer stehenden Haus blieb er stehen, warf einen schnellen Blick über die Schulter und stieg durch ein Fenster ein.
Hoffentlich hatte ihn niemand gesehen - vor allem nicht der Bettler!
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Jetzt schwebte er zum ersten Mal richtig in Gefahr. Wenn ihn auch nur der harmloseste seiner Feinde ertappte, wäre es aus mit ihm.
Stück für Stück zog er sich an dem morschen Treppengeländer hoch. Die Stufen wagte er nicht zu betreten, aus Angst, sie würden unter seinem Gewicht einbrechen. Oben angekommen, kletterte er vorsichtig eine wackelige Leiter hoch und schob die staubige
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